10. Sept. 2017 · 
Soziales

Kann ein Mann überzeugend als Frauenminister auftreten?

Das klingt wie eine Zeitenwende: Als Bernd Althusmann, der CDU-Spitzenkandidat, kürzlich seinen Personalvorschlag für die Sozial- und Frauenpolitik vorstellte, stand da plötzlich ein Mann, der im Emsland geborene CDU-Abgeordnete Reinhold Hilbers. Soll er auch die Frauenpolitik verantworten, wenn er tatsächlich nach der Landtagswahl dieses Ministerium führen sollte? „Ja“, antwortete Althusmann, „es ist an der Zeit, dass auch ein Mann das Thema Gleichstellungspolitik bearbeitet“. Der Herr Frauenminister Hilbers? Das ist eine neue Anrede, fürwahr. [caption id="attachment_27339" align="aligncenter" width="780"] Zwei, auf die sich Althusmann (Mitte) hundertprozentig verlassen kann: Björn Thümler (rechts) und Reinhold Hilbers (links) - Foto: Alissa Giese[/caption] Kritiker können sagen, diese Idee markiere eine neuen Höhepunkt in der wechselvollen Geschichte der Frauenpolitik in Niedersachsen, einer Geschichte, die keineswegs überwiegend von Erfolgen gekennzeichnet ist. Allerdings: Der gleiche CDU-Spitzenkandidat, der einen Mann als Frauenminister vorschlägt, peilt für sein Kabinett eine fünfzigprozentige Frauenquote an – jeder zweite Minister soll weiblich sein. In der gegenwärtigen Regierung sind sechs Männer und vier Frauen, das ist auch schon mehr als im vorherigen CDU/FDP-Kabinett. Geht es also allmählich bergauf mit der Gleichberechtigung in der Spitze der Politik? Angefangen haben solche Debatten in den achtziger Jahren. Im öffentlichen Bewusstsein wurde die Frauenpolitik damals immer bedeutender, die SPD schickte sich an, die Quote bei den Listenaufstellungen in ihre Satzung zu schreiben. In Niedersachsen wirkte eine Frau besonders aktiv in diese Richtung – die spätere SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier aus Göttingen. In der CDU-geführten Landesregierung blieb diese Debatte nicht unbeachtet, es wurde damals viel und heftig über die Frage diskutiert, ob man in den Kommunalverwaltungen „Gleichstellungsbeauftragte“ vorschreiben soll, damit die Belange der Frauen im öffentlichen Dienst gefördert werden. Nach der Landtagswahl 1986 berief der wiedergewählte Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) eine „Landesfrauenbeauftragte“, es wurde Antonia Wigbers, die als ihre Sprecherin übrigens Sigrid Krampitz auswählte, die später als Büroleiterin an der Seite von Gerhard Schröder bis ins Kanzleramt kam.

Nach Schröders drittem Wahlsieg fiel das Ministerium flach

1990 dann, als die erste rot-grüne Koalition in Niedersachsen gebildet wurde, gab es ein eigenständiges Frauenministerium. Ministerin wurde Waltraud Schoppe, die eine sehr vermittelnde Politik anpeilte und zum Argwohn mancher Mitstreiterin Mütterzentren förderte. Zur Staatssekretärin kürte sie Christa Karras, die als feministische Hardlinerin und damit als Gegenpol zur Ministerin galt. Aus der eigenen Partei, den Grünen, wurde Schoppe vorgehalten, wie der „Spiegel“ damals schrieb, „ideologisch ungefestigt“ zu sein. Immerhin: Eine gesetzliche Verpflichtung zur Einstellung hauptamtlicher kommunaler Frauenbeauftragte wurde durchgesetzt – später dann aber wieder abgeschwächt. Auch die Frauenförderung im öffentlichen Dienst kam in ein Gleichstellungsgesetz, das aber rechtlich angreifbar blieb und mehr als zehn Jahre später in der CDU/FDP-Regierungszeit endgültig verwässert wurde. 1994 flogen die Grünen aus der Regierung, das Frauenministerium blieb zunächst, Ministerin wurde Christina Bührmann. Eine Staatssekretärin sollte sie bekommen, doch dazu kam es gar nicht, die beiden Frauen verstanden sich nicht. Vier Jahre später, nach Schröders drittem Wahlsieg als Ministerpräsident, fiel das Ministerium flach – Heidi Merk, bis dahin Justizministerin, wurde „Ministerin für Frauen, Arbeit und Soziales“, also eigentlich vorrangig für Soziales, die Frauenpolitik war nur ein Anhängsel. So blieb es dann im Wesentlichen bis heute, nur rückte irgendwann in der Amtsbezeichnung die Frauenförderung in den Hintergrund. Heute heißt das Ministerium „Soziales, Gesundheit und Gleichstellung“. Und in der Frauenabteilung kümmern sich vier Referate um „Antidiskriminierung und Grundsatzfragen“, „Gewalt gegen Frauen und Frauenhäuser“, „Gleichstellung und Kommunalpolitik“ und „Frauen und Erwerbstätigkeit“.

Der Landesfrauenrat hat einen Forderungskatalog präsentiert

Viele Frauen sind Frauenministerinnen gewesen – nach Heidi Merk war es Gitta Trauernicht, dann die heutige Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Mechthild Ross-Luttmann, Aygül Özkan und schließlich Cornelia Rundt. Diese Reihe soll, geht es nach der CDU, nach der Landtagswahl enden. Dann soll ein Mann das Ruder übernehmen. Die SPD will das unbedingt verhindern, für sie ist eine Frau als Frauenministerin wohl gesetzt. Ob den Sozialdemokraten in einem solchen Fall eine Amtszeitverlängerung von Cornelia Rundt vorschwebt, darf aber schon bezweifelt werden. Die Pflicht zu hauptamtlichen Frauenbeauftragten in allen Kommunen ab 20.000 Einwohnern steht heute wieder im Gesetz – Rot-Grün hat die Rückkehr daran mit der neuen Kommunalverfassung im vergangenen Jahr beschlossen. Ein wichtiges Gesetzesvorhaben jedoch ist vorerst gestoppt, die Regierung war damit spät dran und wegen der vorgezogenen Neuwahlen wurde der Landtag damit nicht mehr fertig – das Gleichstellungsgesetz. Der Plan von Rot-Grün klingt so: Immer dann, wenn in einer Behörde der Frauenanteil bei weniger als 50 Prozent liegt, soll bei einer Stellenneubesetzung eine Ausschreibung Pflicht werden – und bei gleicher Qualifikation muss eine weibliche Bewerberin zum Zuge kommen. Diese Absicht von SPD und Grünen stieß bei CDU und FDP auf Vorbehalte, und SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil hat schon gesagt, dass er diesen Konflikt „zum Thema im Wahlkampf“ machen will. Wahr ist aber auch: Aus den Kommunen kam heftiger Gegenwind gegen diesen rot-grünen Plan, und das auch von Sozialdemokraten in den Rathäusern, die mit einer solchen Pflicht zur Ausschreibung jeder Stelle ihre eigene Personalentwicklungsplanung gestört sehen. Genug Stoff für heftige Debatten ist also vorhanden. Der Landesfrauenrat hat just einen Forderungskatalog vorgelegt – eine gezielte Frauenförderung in den Behörden müsse sein, eine womöglich gesetzlich gestützte Erhöhung des weiblichen Anteils in den Parlamenten und eine nachhaltige Finanzierung von Frauenhäusern. Aber könnte wirklich ein Mann eine solche Politik als Minister verantworten? Die Geschichte der Frauenpolitik in Niedersachsen zeigt, dass dort neben konkreten Projekten auch viel Symbolik im Spiel ist. Deshalb dürfte es ein möglicher Frauenminister Hilbers wohl schwer haben. (kw)
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #157.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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