Jung gegen Alt – Die Linke ringt um ihr Spitzenpersonal
Bei der Linkspartei in Niedersachsen wächst vor der Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl die Spannung. Zunächst galt die bisherige Planung als relativ unspektakulär – doch mittlerweile mehren sich Stimmen, die eine personelle Erneuerung fordern. Damit ist der Ausgang der parteiinternen Kandidatenkür am 28. Januar in Wolfsburg völlig offen. Zunächst wollen die bisherigen vier Bundestagsabgeordneten erneut kandidieren – Diether Dehm (Hannover), Jutta Krellmann (Hameln), Herbert Behrens (Osterholz) und Pia Zimmermann (Wolfsburg). Da aber alle schon in den vergangenen vier Jahren im Bundestag gearbeitet haben und allesamt über 60 sind, fordern jüngere Parteimitglieder eine Verjüngung. Massiv wird das vom Sprecher des Jugendverbandes Solid, dem früheren Sozialdemokraten Christoph Lokotsch aus Lehrte, vertreten. „Unter den ersten vier Listenplätzen muss es mindestens zwei neue Gesichter geben“, fordert Solid in einer Stellungnahme. Mindestens einer dieser vier solle jünger als 35 sein, außerdem solle auf Position eins eine Frau stehen. Solid wendet sich zudem massiv gegen den früheren Landesvorsitzenden Diether Dehm, der Verband unterstellt ihm einen „Hang zu unterkomplexen Verschwörungstheorien“ und behauptet, Dehm schade „mit seinen viele Menschen irritierenden Gesprächspartnern dem Parteileben und unserer Glaubwürdigkeit“.
Bisher will Dehm erneut niedersächsischer Spitzenkandidat für die Bundestagswahl werden, er muss sich dafür aber mit Behrens, der seit 2015 Landesvorsitzender ist, eine Kampfabstimmung um Platz eins liefern. Behrens sagt dem Rundblick, er könne aus seinem Engagement für die Landespartei einen Anspruch auf das Spitzenamt ableiten. Außerdem seien mehrere Bewerbungen für einen Listenplatz nicht schlimm, sondern Ausdruck von Demokratie. Ob es aber wirklich zum Duell Behrens/Dehm kommen wird, ist offen, denn die Solid-Forderung nach einem weiblichen Spitzenkandidaten wird auch von anderen in der Partei geteilt und offensiv vertreten, etwa von der früheren Landtags-Fraktionsvorsitzenden Kreszentia Flauger. Außerdem wird das bisherige Vierer-Team der aussichtsreichen Bewerber von anderen Kandidaturen in Frage gestellt. So bewirbt sich der frühere Landtagsabgeordnete Victor Perli, derzeit Vorsitzender der parteiinternen Rosa-Luxemburg-Stiftung, um einen der ersten vier Plätze. Der 34-Jährige möchte einen „geordneten Übergang“ ermöglichen und tritt für die Verjüngung der Bundestagsmannschaft ein, da sonst in vier Jahren, wenn alle heute schon älteren Kandidaten definitiv aufhören wollen, ein schwieriger kompletter Neuanfang erforderlich wäre. Außerdem hat sich die Oldenburger Rechtsanwältin Amira Mohamed Ali (36) gemeldet. Zwei andere junge Bewerber aus der Region Hannover allerdings, Solid-Sprecher Lokotsch und die Linken-Fraktionsvorsitzende im Regionsparlament, Jessica Kaußen, dürften frühestens für Platz fünf oder sechs der Liste für die Bundestagswahl kandidieren.
Auch die Landesliste für die Landtagswahl, die im Mai aufgestellt wird, beschäftigt die Linken derzeit intensiv. Nun beginnt zunächst der inhaltliche Programmprozess. Als möglicher Spitzenkandidat hat der Oldenburger Rechtsanwalt Hans-Henning Adler (67) seine Bereitschaft erklärt – der allseits geschätzte Politiker, der zwischen 2008 und 2013 im Landtag war, wäre ein Signal für gute Zusammenarbeit an SPD und Grüne. Auch über andere Namen wird spekuliert, etwa die Landesvorsitzende Anja Stoeck aus Harburg oder Ursula Weisser-Roelle aus Braunschweig.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #3.