Niedersachsens Agrarminister Barbara Otte-Kinast (CDU) wirbt seit langem für eine Sonderabgabe, die den tierwohlgerechten Umbau der Landwirtschaft finanzieren soll. Die sogenannte Borchert-Kommission stützt ihren Ansatz: Der Staat soll die Landwirte langfristig finanziell unterstützen, damit diese etwa ihre Ställe umbauen. Nun liegen drei Vorschläge auf dem Tisch, wie die Finanzierung aussehen kann. Doch Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) scheint das Thema nicht eilig anpacken zu wollen. Im Interview mit Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter fordert Otte-Kinast nun von der Bundesregierung mehr Tempo und vor allem auch Mut.

Rundblick: Kürzlich hat zuerst Bundesagrarministerin Julia Klöckner die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie zum Borchert-Papier vorgelegt, anschließend hat dann auch der Bundesrat Rückenwind für Ihre Tierwohlabgabe gegeben. Wie geht es nun weiter?

Otte-Kinast: Die Agrarministerkonferenz und auch der Bundesrat haben sich eindeutig für meinen Vorschlag ausgesprochen. Das zeigt, wie wichtig das Thema ist. Wir brauchen den Umbau der Nutztierhaltung. Aber ohne Finanzierung wird das nichts. Die Machbarkeitsstudie zu den Ergebnissen der Borchert-Kommission war ein Meilenstein. Es liegen jetzt verschiedene Finanzierungsmodelle auf dem Tisch. Nun muss sich der Bund für eines entscheiden. Auch die Borchert-Kommission selbst ist noch einmal zusammengetreten und hat die drei Vorschläge bewerten.

An der Ladentheke wird eine Verbesserung beim Tierwohl von vielen Kunden jedenfalls nicht bezahlt.

Rundblick: Mehrwertsteuererhöhung, Verbrauchssteuer oder „Fleisch-Soli“: Zu welchem der drei Modelle tendieren Sie denn?

Otte-Kinast: Jedes Modell hat Vor- und Nachteile. Die Sonderabgabe trifft auch die, die kein Fleisch essen. Bei der Verbrauchssteuer zahlt derjenige viel, der auch viele tierische Produkte isst. Und bei der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte kommt es noch darauf an, welchen Steuersatz man wählt. Zwischen sieben Prozent, die es jetzt sind, und 19 Prozent ist da alles möglich. Mir ist es im Grundsatz egal, welches Modell wir wählen. Ich kann alle drei vertreten, weil ich weiß, dass es nicht ohne gehen wird. An der Ladentheke wird eine Verbesserung beim Tierwohl von vielen Kunden jedenfalls nicht bezahlt. Da wird einfach erwartet, dass Aufzucht, Schlachtung und Transport einen hohen Standard haben. Es ist unsere Aufgabe, für die Finanzierung zu sorgen. Aber wenn ich mich festlegen soll, ist für mich persönlich ist die Verbrauchssteuer die beste Option.

Julia Klöckner ist es dem ehemaligen Bundesminister Jochen Borchert nun auch schuldig, dass sie die Ergebnisse rasch realisiert – und zwar am besten jetzt!

Rundblick: Ihre Kollegin im Bund hat sich mit der Machbarkeitsstudie schon ganz schön viel Zeit gelassen. Erst ein halbes Jahr nach der Vorstellung des Borchert-Papiers hat sie den nächsten Schritt eingeleitet. Ärgert Sie dieser Schlendrian?

Otte-Kinast: Ich erwarte von Julia Klöckner, dass sie liefern will. Wer politisch Punkte sammeln möchte, muss dann auch mal einen Haken hinter die Sache machen und die Beschlüsse umsetzen. Sie hat die Borchert-Kommission schließlich selbst eingesetzt, seit einem Jahr liegt der Bericht nun vor. Wir haben genug Informationen, auch hier in Niedersachsen haben wir schon längst Konzepte erarbeitet. Das Borchert-Papier hat das alles noch einmal schön zusammengefasst. Julia Klöckner ist es dem ehemaligen Bundesminister Jochen Borchert nun auch schuldig, dass sie die Ergebnisse rasch realisiert – und zwar am besten jetzt! Sie wäre gut beraten, vor der Bundestagswahl eine Entscheidung herbei zu führen. Deshalb muss jetzt zeitnah entschieden werden, welchen Weg man wählt. Sogar die Finanzminister stehen bereits an der Seite ihrer Agrarminister. Die Zustimmung ist also breit gegeben.

Rundblick: Bei der Vorstellung der Machbarkeitsstudie sagte Klöckner, keine Partei könne es sich erlauben, sich im Wahlprogramm nicht mehr zu den Tierwohl-Plänen und den Finanzierungskonzepten zu verhalten. Das klingt, als wollte sie das Thema durch den Wahlkampf ziehen.

Otte-Kinast: Wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Mit der Bundesratsinitiative habe ich jedenfalls noch einmal deutlich gemacht, wohin ich will. Ich hoffe, das ist klar geworden.

Wenn wir politische Entscheidungen nur von Wahlkämpfen abhängig machen, sind wir schlecht beraten. Wir sollten liefern!

Rundblick: Möchte die Bundesministerin vielleicht vermeiden, dass sie im Bundestagswahlkampf mit höheren Preisen für Fleisch, Eier und Milch in Verbindung gebracht wird?

Otte-Kinast: Jeder, der in den Wahlkampf zieht, möchte natürlich schlechte Nachrichten vermeiden. Aber wir sind in Deutschland gefühlt immer im Wahlkampf. Da sind Kommunalwahlen, Landtagswahlen, die Bundestagswahl oder die Europawahl. Wenn wir politische Entscheidungen deshalb nur von Wahlkämpfen abhängig machen, sind wir schlecht beraten. Wir sollten liefern! Und schließlich entscheidet das ja auch niemand allein. Im Bund regiert eine Große Koalition, die sollte zum Wohle der Tiere, des ländlichen Raums und der Verbraucher die Sache endlich voranbringen.

Rundblick: Schon kurz nach Ihrer Rede im Bundesrat vor einer Woche kam die erste Kritik an Ihren Plänen – etwa vom Steuerzahlerbund und der Ernährungswirtschaft.

Otte-Kinast: Es wird auch noch mehr Kritik geben, vielleicht von den Verbraucherzentralen. Man muss in Kauf nehmen, dass es Skeptiker gibt, wenn man etwas verändern will. Als ich vor über einem Jahr in meiner Neujahrsansprache erstmals von einer Tierwohlabgabe gesprochen habe, gab es zunächst auch Kritik aus meiner eigenen Fraktion. Aber durch zahlreiche Gespräche habe ich die Abgeordneten dann auch von der Lenkungsabgabe überzeugen können. Natürlich muss die dann auch sozialpolitisch flankiert, also sozialverträglich ausgestaltet werden. Es ist wie beim Atomausstieg, den wir schließlich auch über den Strompreis bezahlt haben. Wenn die Gesellschaft diesen Wandel will und erwartet, dann kriegen wir das auch als Gesellschaft gemeinsam hin. Wir müssen am Ende einen Kompromiss schaffen zwischen Tierwohlstandards und der Wirtschaftlichkeit der Landwirtschaft. Gelingt uns das nicht, schaffen wir die Landwirtschaft in Deutschland ab. Und das wollen selbst diejenigen nicht, die kein Fleisch essen. Viele bevorzugen regionale und nachhaltig erzeugte Produkte. Die Landwirtschaft prägt unsere Kulturlandschaft. Wer in Ostfriesland Urlaub macht, der möchte gerne die Kühe auf der Weide grasen sehen. Da muss man das gesamte Bild um Blick behalten.

Wenn ein Landwirt in Zukunft für weniger Tiere dasselbe Geld bekommt wie jetzt, wird er sich darauf einlassen.

Rundblick: Kritiker werfen Ihnen vor, bei den Tierwohlplänen nicht zu berücksichtigen, dass man auch die Tierzahlen reduzieren könnte oder müsste.

Otte-Kinast: Wir müssen die Wirtschaftlichkeit der Betriebe immer mit im Blick behalten. Wenn ein Landwirt in Zukunft für weniger Tiere dasselbe Geld bekommt wie jetzt, wird er sich darauf einlassen. Aber da scheitern wir wieder an der Zahlungsbereitschaft der Verbraucher. Durch die steigenden Auflagen werden wir immer mehr Sauenhalter, Schweinemäster und Milchviehwirte verlieren. Wir müssen in Niedersachsen aber die Tiere in den Ställen halten – bei gleichzeitig steigendem Tierwohl. Darum geht es mir!