„Journalistischer Skandal, redaktionelle Katastrophe, Regie-Blamage“
Nach Ereignissen wie dem Anschlag von Nizza, dem Putschversuch in der Türkei und dem Amoklauf in München beginnt immer wieder eine Diskussion über die aktuelle Berichterstattung von Medien. So schreibt der freie Journalist Ulrich Werner Schulze auf dem Medienportal meedia.de von „medialen Chaosstunden beim Amoklauf“.
Schulze geht mit ARD und ZDF hart ins Gericht. Die Berichterstattung der beiden Programme habe routiniert mit dem Nachrichtenband „Schießerei in München“ am unteren Bildschirm begonnen. „Was dann in den nächsten 45 Minuten folgte, bis es allmählich etwas besser wurde, war ein journalistischer Skandal, eine redaktionelle Katastrophe, eine Regie-Blamage“, schreibt Schulze und kritisiert „journalistischen Aktionismus“. Die redaktionelle Dauer-Präsentation verstoße gegen die journalistische Regel: „Etwas Distanz zur Sache schärft den Blick und erhöht den Informationswert“.
Der FAZ-Medienjournalist Michael Hanfeld kritisiert zu viele Spekulationen und Deutungen im Konjunktiv im Wettlauf um die schnellste Information. Mal schlage „das Interpretationspendel Richtung Islamismus, dann wieder Richtung fremdenfeindliche Tat, dann Richtung verwirrter Einzeltäter“, so Hanfeld.
Dabei vergleicht Hanfeld die Endlosschleifen-Weiterungen mit einem umstrittenen Tweet der Grünen-Politikerin Renate Künast, die nach dem Attentat in einem Regionalzug in Würzburg wegen ihrer Äußerung auf Twitter scharf kritisiert worden war.
Der Medienjournalist Stefan Niggemeier sieht inzwischen „das Ende des Nachrichtenfernsehens, wie wir es kennen“ gekommen. Die Rituale des Fernsehens, bei denen der Redakteur vor virtueller Kulisse im Studie über den aktuellen Stand der Information informiert, wirkten „wie aus der Zeit gefallen“. Auch der damit verbundene technische Aufwand erscheine immer häufiger als Anachronismus. Niggemeier verweist auf den Journalisten Richard Gutjahr, der einfach eine Skype-Verbindung nutzte, um live vom Ort des Geschehens zu berichten.
Derweil hat sich der Moderator des ZDF heute-journals, Claus Kleber, in der Süddeutschen Zeitung gegen ein „Rattenrennen der Öffentlich-Rechtlichen mit den sozialen Medien ausgesprochen. Den Profis schade „ein bisschen souveräne Ruhe“ nicht. Nur mit intensiver Prüfung und dem Einsatz altmodischer Recherche könne man den Rahmen schaffen, der Ereignisse verständlich macht. Kleber plädierte aber auch dafür, die Schwelle für die Unterbrechung eines laufenden Programms zu senken. Als Beispiel nannte er den älteren Tatort, der am vergangenen Freitag in der ARD ausgestrahlt wurde, als es in der Türkei zum Putschversuch kam. (MB.)