„Jeder hat jetzt seine Tiefs, aber das macht die Situation auch nicht besser“
Die Corona-Pandemie trifft alle gleich – und doch jeden ganz anders. Seit über einem Jahr stellt das Virus den Alltag der Niedersachsen auf den Kopf. Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter hat mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten gesprochen und sie gefragt, wie sich ihr Leben verändert hat, woraus sie nun Kraft schöpfen und was sie von der Politik erwarten. Unser heutiger Gesprächspartner ist Kevin Köneke, 28 Jahre alt und von Beruf Zauberer.
Rundblick: Wie sieht eigentlich der Alltag eines Zauberers aus? Erzählen Sie uns bitte, was Ihre berufliche Tätigkeit vor der Pandemie ausgemacht hat.
Köneke: Normalerweise wäre ich jetzt mit meinen „Magic Dinners“ in ganz Norddeutschland unterwegs. Das ist ein bisschen wie die eher bekannten „Krimi Dinner“, nur eben mit Magie. Es gibt in einem Restaurant ein Drei-Gänge-Menü und zwischen den Gängen dann jeweils eine Bühnenshow. Früher bin ich viel rumgetourt. Da ging es dann auch schon mal bis nach Köln, aber zu 80 Prozent war ich im Norden unterwegs. Und wenn es gerade mal keine Dinner-Shows waren, dann bin ich auf Kindergeburtstagen, Hochzeiten oder Firmenfeiern aufgetreten. Zwischendurch denkt man sich dann immer neue Tricks und Programme aus.
Rundblick: Eine Dinner-Show klingt nach viel Kontakt mit Menschen…
Köneke: Richtig, der Schwerpunkt meines Berufs waren nicht einfach Zaubertricks, sondern die Interaktion mit dem Publikum. Ich habe die Zuschauer auf die Bühne geholt, Ringe verschwinden und Tische schweben lassen. Die Zauberei war nur Mittel zum Zweck, eigentlich geht es ja um Comedy. Da braucht man dann die Spontaneität der Gäste, die Shows leben vom Mitmachen.
Rundblick: Dann kamen die ersten Corona-Fälle und schließlich der Lockdown. Wie haben Sie das erlebt?
Köneke: Als ich zum ersten Mal vom Corona-Virus gehört hatte, dachte ich noch, das sei weit weg. Aber dann brachen innerhalb von wenigen Tagen sämtliche Shows im März und April weg. Ich wusste gar nicht, was los war. Es gab einen totalen Stillstand. Ich dachte zunächst: abwarten, beruhigen, vielleicht geht es einfach wieder weg. Und dann habe ich einen Plan gemacht, wie es weitergehen kann. Mit etwas Vorlauf habe ich Termine ab August geplant, die dann ja auch bis Oktober stattfinden konnten. Es gab Nachholtermine, ein bisschen was ging ja wieder.
Rundblick: Wie hat sich Ihr Programm durch das Corona-Virus verändert?
Köneke: Ich habe mein Programm Corona-konform umgeschrieben. Mit den Restaurants wurde genau abgestimmt, wer wie sitzen kann, damit es ausreichend Abstände gab. Manche Tricks musste ich streichen, andere konnte ich umschreiben. Es gab zum Beispiel einen Trick, da lasse ich mich von zwei Gästen aus dem Publikum an Händen und Beinen an einen Stuhl fesseln. Das geht einfach nicht auf Abstand, deshalb fiel das aus dem Programm. Stattdessen habe ich einen Kartentrick neu konzipiert und ich glaube, das ist mir ganz gut gelungen. Da kam dann ein Zuschauer auf die Bühne und musste dafür extra Maske und Handschuhe anziehen und alles desinfizieren – das hätte sogar Karl Lauterbach stolz gemacht! Jedenfalls waren wir uns dann maximal zwei Minuten etwas näher, wenn der Gast eine Karte auswählt. Aber dann geht die Person wieder zurück auf ihren Platz und ich muss die Karte erraten. Ich hab das dann noch mit so einer Art Striptease verbunden. Dreimal gelingt es mir nicht, die richtige Karte zu erraten, ich lege immer mehr Kleidungsstücke ab und am Ende drehe ich mich dann um und das Publikum sieht die richtige Lösung auf meinem Rücken. Ich habe versucht, trotz Abstand und Hygieneauflagen etwas Stimmung und Dynamik zu behalten.
Jetzt bleibt mir nur zu hoffen, dass die Politik da oben uns Künstlern und den Restaurants zutraut, dass wir das mit den Hygienekonzepten hinbekommen
Rundblick: Das lief dann so lange gut, bis der zweite und dann nun der dritte Lockdown kamen.
Köneke: Ja genau. Als im November dann alles wieder dicht war, hoffte ich zuerst, dass das schnell vorbei geht. Ich habe erst mal nichts gemacht und alle Termine in den März verschoben. Das wurde dann aber auch nichts. Jetzt bleibt mir nur zu hoffen, dass die Politik da oben uns Künstlern und den Restaurants zutraut, dass wir das mit den Hygienekonzepten hinbekommen.
Rundblick: Wenn Sie auf dieses Auf und Ab zurückblicken, was empfinden Sie da?
Köneke: Ein großer Punkt ist Traurigkeit. Am Anfang war es Verwirrung, aber dann kam die Trauer, weil ich meinen Job liebe und gerne Menschen verzaubere. Teilweise mischte sich Perspektivlosigkeit und Verzweiflung dazu. Doch inzwischen kommt sogar wieder Hoffnung auf.
Ich versuche einfach, positiv zu bleiben. Jeder hat jetzt seine Tiefs, das ist normal. Aber das macht es nicht besser.
Rundblick: Wie kommt es denn, dass Sie nun hoffnungsvoll sind? Das erwartet man angesichts der aktuellen Situation ja nicht gerade.
Köneke: Ich versuche einfach, positiv zu bleiben. Jeder hat jetzt seine Tiefs, das ist normal. Aber das macht es nicht besser. Für mich sind die Maßnahmen verständlich: Die Gesundheit geht schließlich vor. Ich hoffe einfach darauf, dass das Leben zurückkommt, wie wir es kennen.
Rundblick: Woher nehmen Sie diese positive Einstellung? Was gibt Ihnen Kraft?
Köneke: Tatsächlich hilft es mir, dass ich jetzt viel mehr Sport treibe als früher. Ich habe das Joggen für mich entdeckt. Ich will nicht vor dem Alltag weglaufen, aber etwas Abstand tut gut, weil es in allen Medien nur noch um Corona geht. Und ich meditiere jetzt, denn das macht den Kopf frei und man nimmt sich mal Zeit für sich. Dass die Kombination aus joggen und meditieren mal bei mir hilft, hätte ich nie gedacht.
Rundblick: Wenn Sie bei der Politik drei Wünsche frei hätten, was würden Sie sich wünschen?
Köneke: Ich wünsche mir zuerst einmal Vorsicht – das muss jetzt alles nicht zu schnell gehen mit den Öffnungen. Bei der Test- und Impfstrategie wünsche ich mir allerdings, dass die jetzt mal so richtig angekurbelt wird. Und zuletzt wünsche ich mir mehr Vertrauen in alle, die jetzt unter den Beschränkungen leiden: Kultur, Kinos, Restaurants. Es muss nicht alles wieder gehen, bestimmte Beschränkungen bleiben. Aber man muss der Kultur eine Perspektive geben.