
Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), erwartet in absehbarer Zeit keinen nennenswerten Rückgang der Energiepreise. „Wir werden auch in sechs Jahren noch Preisniveaus haben, die das Mehrfache dessen sein werden, was wir durch das vergleichsweise russische Gas gewöhnt waren“, sagt Hüther. Gerade im zweiten Halbjahr 2023 werde es wieder enorme Preiseffekte geben. Privatleute und Unternehmen müssten sich wohl oder übel an horrende Energiepreise gewöhnen. „Die deutsche Wirtschaft muss energieeffizienter werden, das ist die Antwort“, sagt der IW-Chef. Er warnt vor schleichenden Standortverlagerungen ins Ausland – insbesondere in die USA. „Wir merken das gar nicht so direkt. Hier wird die Produktion heruntergefahren, dort werden Erweiterungsinvestitionen geleistet“, sagt Hüther.
Den derzeitigen Reallohnverlust aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten bezeichnet der Ökonom als „Wohlstandsabfluss an das Ausland“. Man dürfe daher nicht auf Veränderungen an den internationalen Energiemärkten hoffen, sondern müsse den „Angebotsschock“ jetzt sofort korrigieren und für mehr Energieressourcen sorgen. Die Strom- und Gaspreiskostenbremsen bis ins Frühjahr 2024 bezeichnet Hüther dabei als richtigen Schritt. „Aber die Probleme hören da nicht auf. Deswegen muss Verlässlichkeit für die Erwartungsbildung her.“ In seiner aktuellen Konjunkturprognose geht das IW für 2023 davon aus, dass die deutsche Wirtschaftsleistung um drei Viertel Prozent sinken wird. Anders als in der Industrie und dem Dienstleistungssektor werde sich die Rezession im Bausektor weiter verschärfen. Grund dafür seien fehlende Materialien und Fachkräfte sowie die steigenden Bauzinsen.