29. Juni 2017 · 
Kommentar

Ist Salzgitter damit wirklich geholfen?

Darum geht es: Nach monatelangen Überlegungen und Prüfungen scheint sich die Landesregierung nun dazu durchzuringen, der Stadt Salzgitter doch unter die Arme zu greifen. Aber reicht das aus, was sich da abzeichnet? Ein Kommentar von Klaus Wallbaum. Immer dann, wenn das Land bestimmten Kommunen helfen will, stellt sich die Grundsatzfrage: Kann man einem Notleidenden unter die Arme greifen, wenn gleichzeitig alle anderen sagen, dass sie doch ebenfalls Unterstützung nötig hätten? Hier scheint es jetzt zu funktionieren, und das hat vor allem zwei Gründe. Erstens ragt Salzgitter heraus aus allen Kommunen. Wilhelmshaven und Delmenhorst haben auch ähnliche Probleme, zwar nicht so stark wie Salzgitter, aber doch auch spürbar. Sie werden besonders oft als Zuzugsort für Flüchtlinge, vor allem Syrer, gewählt. Also können die drei kreisfreien Städte durchaus begründete Ansprüche auf eine Sonderbehandlung vortragen, denn alle anderen Kommunen haben keine ähnlich krasse Entwicklung vorzuweisen. Zweitens hält der Landkreistag offensichtlich still – es sind drei Mitglieder des Städtetages, die nun auf Sonderhilfen des Landes hoffen können. Auch einige Landkreise sind viel stärker von Zuwanderung betroffen als andere, aber für ein umfassendes neues kommunales Förderprogramm des Landes gibt der Landesetat keinen Spielraum her. Das hätte wohl sonst auch den finanziellen Rahmen gesprengt. Im Gespräch sind jetzt 20 Millionen Euro, verteilt auf dieses und das nächste Jahr. Im landesweiten Maßstab ist das nicht viel mehr als ein symbolischer Betrag. Konzentriert auf  Salzgitter, Delmenhorst und Wilhelmshaven könnte damit aber schon einiges angeschoben werden. Aber reicht dieser Weg schon aus? Die Fachleute im Innenministerium prüfen und wägen ab, sie untersuchen die Fördertöpfe und -richtlinien. Das ist in etwa so, als wenn man einen nassen Scheuerlappen über einem Eimer auswringt – jeder Tropfen wird aufgefangen, gesammelt und beim nächsten Aufwischen wieder verwendet. Den arg gebeutelten Stadthaushalt in Salzgitter (und den in Wilhelmshaven und Delmenhorst) könnte das so zusammengekratzte Geld schon entlasten, neue Kindergärten für Flüchtlingskinder ließen sich damit bauen. Ob dann noch genug übrig bleibt für eine Steuerung der Ansiedlung von Zuwanderern, darf nach derzeitigem Stand aber bezweifelt werden. Das heißt: Die Mittel reichen wohl aus, die Folgen der Zuwanderung für die Stadt zu lindern. Aber was ist mit den Ursachen? Dazu wäre es wohl nötig, ein Umzugsprogramm innerhalb von Salzgitter und den beiden anderen Städten in Ganz zu setzen: Syrer müssten dazu bewegt werden, ihr bisheriges Umfeld zu verlassen und in andere Stadtteile zu ziehen. Ziel sollte es sein, dass möglichst jede syrische Familie in der Nachbarschaft auch eine deutsche Familie hat – damit die Kinder miteinander spielen und die Eltern sich gegenseitig einladen. Die Aussichten für eine solche Steuerung sind schlecht. Viele Syrer werden es als Erfolg ihrer Ankunft in der neuen Heimat Deutschland werten, dass sie in einem Wohngebiet mit vielen Landsleuten zusammen leben. Es ist verständlich, dass sie meinen, so werde ihr Start in der neuen Heimat Deutschland erleichtert. Dass eine richtige Integration nur anders funktionieren kann, dass sie die Anstrengung des Deutschlernens und der Anpassung an die hierzulande üblichen Sitten und Gebräuche unbedingt erfordert, wird oft von den Betroffenen nicht eingesehen. Man kann den Flüchtlingen das verzeihen, sie haben wahrlich genug mit dem Kennenlernen des neuen Lebensumfelds zu tun. Aber den Politikern kann man mit dieser Nachsicht nicht begegnen. Sie haben die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, die Bedingungen für die Integration der Zuwanderer so gut wie möglich zu organisieren und aus früheren Fehlern zu lernen. Das ist hier allerdings bisher nicht erkennbar. Wieso soll eigentlich Salzgitter nun viel zu spät die Probleme anpacken, die das Land mit einer landesweiten Regelung viel früher hätte lösen müssen? Es mag ja sein, dass die Wohnsitzauflage rechtlich problematisch ist und Klagen von Flüchtlingen dagegen in vielen Fällen schon Erfolg hatten. Auf der anderen Seite gibt es Berichte etwa aus Nordrhein-Westfalen, in denen die Kommunalpolitiker sich mit der praktischen Anwendung dieser Regel zufrieden zeigen, weil die Masse der Flüchtlinge die Zuweisung der Wohnorte akzeptiert hat. In Niedersachsen gab es dieses Instrument der Steuerung nicht, hier sind in den ersten Monaten nach dem großen Andrang der Zuwanderer offenbar nicht die richtigen Weichen gestellt worden. Dabei ist eine erfolgreiche Integrationsarbeit Sache der Landesregierung. Man darf damit die Kommunen nicht allein lassen. Mail an den Autor dieses Kommentars
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #122.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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