28. Aug. 2017 · Kommentar

Ist diese Sozialministerin noch zu halten?

Darum geht es: Die E-Mail einer Referatsleiterin aus dem Sozialministerium belastet Ministerin Cornelia Rundt. Hat sie Einfluss genommen auf eine Auftragsvergabe – zugunsten eines Instituts, dessen Leiter früher hochrangiger Sozialdemokrat in Hannover war? Dazu ein Kommentar von Klaus Wallbaum. Der Verdacht ist erdrückend: Wenn alles zutreffend ist, was in der E-Mail einer Referatsleiterin des Sozialministeriums am 8. Mai 2014 geschrieben steht, dann müsste Ministerpräsident Stephan Weil seine Sozialministerin Cornelia Rundt umgehend entlassen. Dann nämlich wäre eine Einflussnahme besonderer Art belegt. Die Ministerin und ihr Staatssekretär, heißt es in der E-Mail, hätten in einem Gespräch mit dem Leiter des CIMA-Instituts für Regionalwirtschaft, Arno Brandt, eine neue Auftragsvergabe an CIMA festgelegt – für den „Masterplan zur sozialen Gesundheitswirtschaft“, ein 40.000-Euro-Projekt. Dies wäre dann elf Monate vor dem eigentlichen Start des Vergabeverfahrens geschehen, an dessen Ende CIMA als Auftragnehmer feststand. Also eine Anweisung zur gezielten Begünstigung eines bestimmten Anbieters? Oder sogar „Genossenfilz“, da Arno Brandt früher in der SPD Hannover eine wichtige Persönlichkeit war? https://soundcloud.com/user-385595761/neue-vergabevorwurfe-das-sagt-die-spd-im-landtag In der E-Mail steht: „Dies ist alles so besprochen und beschlossen worden am 6. Mai 2014 (Herr Brandt, Frau Ministerin, Herr Staatssekretär, Herr Heggemann).“ Das kann man so interpretieren: Es gab ein Treffen der Spitze des Sozialministeriums mit dem CIMA-Chef, und zwei Tage später leitete die zuständige Referatsleiterin eine Anweisung an Mitarbeiter weiter, jetzt bitteschön alles für eine zügige Auftragsvergabe an CIMA zu tun. Der Sprecher der Ministerin erklärte auf Anfrage, diese Mail sei „missverständlich“. Bei allem Respekt: So deutlich wie hier ist eine Einflussnahme kaum zu beschreiben, die Mail ist alles andere als missverständlich, sie ist klar und eindeutig. Nun gibt es mehrere Möglichkeiten. Erstens: Hat die Referatsleiterin sich die Vorgänge ausgedacht, um aus eigenem Antrieb CIMA zu fördern? Das ist unwahrscheinlich, denn es handelt sich um eine bewährte, anerkannte Expertin und Autorität in ihrem Fach. Viel spricht dafür, dass sie nach dem Spitzengespräch am 6. Mai 2014 einen Anruf erhielt. Dass sich der CIMA-Chef an sie gewandt hat, ist unwahrscheinlich. War es dann die Ministerin, ihr Staatssekretär oder der erwähnte Herr Heggemann, damals Leiter des Ministerbüros, heute Leiter des Grundsatzreferats in der Staatskanzlei? Das müsste geklärt werden. Zweitens: Hat die Referatsleiterin den ihr überbrachten mündlichen Bericht eines dieser drei Mitarbeiter des Ministeriums über das Treffen am 6. Mai falsch verstanden? Dagegen spricht, dass sie in ihrer Mail ausdrücklich von „besprochen und beschlossen“ schreibt, also nicht bloß Erwägungen oder Meinungsäußerungen referiert, sondern konkrete Anweisungen weitergibt. Und überhaupt: Wieso sollte die Referatsleiterin klare Aufträge kommunizieren, wenn es in dem fraglichen Spitzengespräch am 6. Mai lediglich um die Bilanz einer früheren CIMA-Studie gegangen sei, wie der Sprecher der Ministerin erklärt? Drittens: Hat ein Teilnehmer des Gesprächs am 6. Mai, womöglich der Ministerbüroleiter, anschließend gegenüber der Referatsleiterin andere Dinge als die vorgetragen, die im Gespräch eine Rolle spielten? Das wäre denkbar, aber auch unwahrscheinlich – denn wieso sollte er eigenmächtig eine Auftragsvergabe in die Wege leiten wollen, wenn doch kurz davor seine wichtigsten Vorgesetzten mit dem späteren Auftragnehmer zusammengesessen hatten? Womöglich ist dieser Verlauf die Variante, die aus Sicht der Ministerin die angenehmste wäre, da sie dann selbst und auch ihr Staatssekretär vom Verdacht der Mauschelei befreit würden – und beide nicht um ihren Job bangen müssten. Viertens: Haben die Ministerin oder ihr Staatssekretär – oder auch beide – womöglich am 6. Mai 2014 in dem Gespräch mit dem CIMA-Chef klar entschieden, dass der nächste Auftrag an das Unternehmen gehen soll, und dachten sie vielleicht, dass dieser Wunsch über eine bloß mündliche Kommunikation im Ministerium weitergeleitet werden sollte und damit nicht mehr nachprüfbar war? Wenn das so gewesen ist, wäre das ein grober Verstoß gegen das Vergaberecht – und herausgekommen wäre dieser nur, weil die Referatsleiterin die Vorgänge in einer E-Mail dokumentiert hatte und der Vergabe-Untersuchungsausschuss die Akten später angefordert hat. Aus all dem folgt: Wenn es die Varianten eins und zwei waren, trifft Rundt keine Schuld, es wäre tatsächlich alles ein großes Missverständnis. Wenn es Variante drei war, hätte der Teilnehmer des Spitzengesprächs, der sich anschließend an die Referatsleiterin gewandt hatte, ein Problem. Er müsste zur Verantwortung gezogen werden. Bei Variante vier müsste die Sozialministerin abgelöst werden, denn wenn die Kriterien gelten, die Ministerpräsident Stephan Weil bei der Entlassung der Staatssekretäre Daniela Behrens und Michael Rüter angelegt hatte, dann wäre Cornelia Rundt nicht mehr haltbar. Mail an den Autor dieses Kommentars  
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #148.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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