1. Feb. 2023 · 
Bildung

Ist der Lernort Bauernhof in Gefahr? Dem Land fehlen 500.000 Euro, weil die EU nicht mehr zahlt

Das Wissen darum, dass der Lieferant eines Steaks früher mal Gras gefressen hat und Pommes aus Kartoffeln hergestellt werden, kann man bei der heutigen Jugend nicht mehr zwingend als bekannt voraussetzen. Die Agrarpolitiker des niedersächsischen Landtags wollen deshalb die Ernährungsbildung, die ein wenig auf der Strecke geblieben sei, wieder stärker in den Fokus rücken, sagte Karin Logemann (SPD) in der jüngsten Sitzung des Agrarausschusses.

Lernort Bauernhof | Foto: GettyImages/pixdeluxe

Doch dabei gibt es ein Problem: Einem Projekt, das genau dies seit Jahren tut, drohen erheblich finanzielle Einbußen, weil die Europäische Union in ihrer neu angelegten „Gemeinsamen Agrarpolitik“ (GAP) derartige Angelegenheiten nicht mehr fördern möchte. Unter dem Namen „Transparenz schaffen“ hat das Land Niedersachsen in den vergangenen Jahren einen bundesweit einzigartigen Zusammenschluss regionaler Bildungsträger unterstützt. Wie Alexander Burgath vom Bildungs-Referat des Landwirtschaftsministeriums erläuterte, gehören derzeit 55 anerkannte Bildungsträger mit 600 Lernorten, insbesondere landwirtschaftlichen Betrieben, dazu. Bis zu 4000 Bildungsveranstaltungen für Kinder und Jugendliche würden pro Jahr durchgeführt. Koordiniert wird das Netzwerk von der Heimvolkshochschule Barendorf, das Land ist mit seiner von der EU unterstützten Förderung für die Personalkosten aufgekommen – bislang.

In der ab Juli beginnenden neuen Förderperiode der GAP soll für ein derartiges Angebot zur Ernährungsbildung nun aber kein Platz mehr sein. Wie seitens der EU-Kommission über die Bundesregierung kommuniziert worden sei, wären solche Aktionen nicht mehr förderfähig. Der bisher herangezogene Bewertungsmaßstab, wie viele Kinder an den Maßnahmen teilgenommen haben, sei nicht mehr ausreichend. Entscheidend für die EU-Bürokratie sei nur noch, welche umweltrelevante Bedeutung derartige Programme entfalten könnten. Das Bundesumweltministerium soll nach Auskunft Burgaths dem Land mitgeteilt haben, dass „Transparenz schaffen“ deshalb nicht länger Teil des deutschen GAP-Strategieplans bleiben sollte. Schlimmstenfalls könnte eine Überprüfung seitens der EU dazu führen, dass die Förderung rückabgewickelt werden müsste.

Erst im vergangenen Landes-Haushaltsplan wurde der Posten für die Co-Finanzierung des Angebots von 250.000 auf 650.000 Euro hochgefahren, weil man sich darauf eingestellt hatte, dass sich die Beteiligungsquote ändern werde. Hatte die EU zuvor noch 80 Prozent finanziert, sollte dieser Anteil auf 43 Prozent sinken, schilderte Burgath. Das Land verfolgt nun eine Strategie, die noch von der vorherigen Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) angestoßen worden war: „Transparenz schaffen“ soll in eine reine Landesmaßnahme überführt werden. Eine entsprechende Förderrichtlinie wurde nun von Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) unterzeichnet, die Antragstellung soll ab März möglich sein. Das Land hat dabei eine Vollfinanzierung auf eine anteilige Finanzierung von 85 Prozent heruntergestuft. Die anerkannten Bildungsträger können daher weiterhin maximal Mittel in Höhe von 8500 Euro beantragen. Perspektivisch ergebe sich aber eine Deckungslücke von 500.000 Euro, sagte Burgath. Man habe der Hausspitze deshalb vorgeschlagen, den Haushaltsansatz ab 2024 um diesen Betrag hochzufahren – was am Ende an der Entscheidung des Parlaments hinge. „Wenn das Budget nicht hochgefahren wird, wird es deutlich weniger Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche geben“, erläutert der Referatsleiter.



Auf die Frage des agrarpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, Marco Mohrmann, weshalb die Erhöhung dieses Haushaltspostens nicht bereits mit dem Nachtragshaushalt im vergangenen Herbst vorgenommen wurde, erläuterte Burgath, dass dies nicht den Vorgaben entsprochen hätte und zudem noch nicht notwendig gewesen wäre. Zwar hätte dieser Schritt als ein positives Zeichen in Richtung der Bildungsträger verstanden werden können. Da die GAP-Förderung allerdings noch bis zum Sommer läuft und die Gelder rückwirkend ausgezahlt werden, werde der Wegfall der EU-Förderung erst ab 2024 für die Anbieter der Bildungsangebote spürbar werden.

Dieser Artikel erschien am 2.2.2023 in Ausgabe #019.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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