Zunehmende Wetterextreme stellen die Landwirtschaft in Niedersachsen vor große Herausforderungen. Vor allem die regional sehr unterschiedlichen Niederschlagsmengen machten deutlich, dass von einer Normalisierung nicht die Rede sein könne, sagte Gerhard Schwetje, der Präsident der Landwirtschaftskammer, am Dienstag bei der Vorstellung der Erntebilanz.

2019 sei nun das dritte Erntejahr in Folge, das für die Bauern in Niedersachsen schwierig verlief. 2017 fiel dabei zu viel Regen, 2018 und 2019 gab es dagegen in einigen Teilen des Landes zu wenig Niederschlag.

Schwetje: „Niedersachsen ist Kartoffelland Nummer Eins in Deutschland“ – Foto: nkw

Besonders betroffen ist davon der Maisanbau. Nur etwa zehn Prozent der 600.000 Hektar Mais, die in Niedersachsen angebaut wurden, waren als Kornmais für den Verzehr gedacht. Mehr als die Hälfte wurde als Rinderfutter genutzt, der Rest wird in Biogasanlagen für die Energiegewinnung verwertet. Beim Mais geht die Landwirtschaftskammer von 20 bis 40 Prozent Ertragsausfall aus. Aber auch bei Kartoffeln und Zuckerrüben mussten die Landwirte aufgrund der Trockenheit niedrigere Erträge hinnehmen.

Die Getreideernte fiel in absoluten Zahlen hingegen deutlich besser aus, was allerdings auch daran liegt, dass die Anbauflächen zugenommen haben. Auch bei den Kartoffeln wurde die Anbaufläche erneut erweitert: In Niedersachsen liegen nun 45 Prozent der gesamten deutschen Kartoffeln-Anbaufläche. „Damit ist Niedersachsen mit weitem Abstand Kartoffelland Nummer Eins in Deutschland“, erklärte Schwetje.

Möhren, Zwiebeln oder Erdbeeren bald vermehrt aus Niedersachsen

An den hierzulande üblichen Fruchtsorten werde sich auch in den nächsten Jahren nicht grundlegend etwas ändern. „Wir bleiben bei den bisherigen Hackfrüchten“, sagte Schwetje – also bei Kartoffeln, Zuckerrüben und Mais. Die klimatischen Veränderungen können aber auch zu einem häufigeren Anbau von etwa Sojabohnen oder Süßkartoffeln führen. Hinzu kommen dann wohl auch weitere sogenannte Sonderkulturen, wie etwa Möhren, Zwiebeln oder Erdbeeren, erläuterte der Präsident der Landwirtschaftskammer.  Diese würden aktuell noch häufig importiert, könnten aber auch in Niedersachsen angebaut werden.

Der Markt ist sehr sensibel bei Sonderkulturen.

Einen Königsweg bei der Auswahl der geeigneten Früchte wollen die Experten der Landwirtschaftskammer aber nicht vorgeben. „Die einzelnen Betriebe müssen für sich herausfinden, was geht“, sagte Gerald Burgdorf vom Fachbereich Pflanzenbau und Saatgut.

„Der Markt ist sehr sensibel bei Sonderkulturen.“ Nicht alles, was hier angebaut werden kann, findet auch den entsprechenden Absatz. Soja könnte vielleicht als Eiweiß-Lieferant gute Chancen haben, Süßkartoffeln werden aber wohl kaum die klassische Kartoffel aus dem Supermarktregalen verdrängen.

Der Pflanzenbau-Experte zeigte sich aber zuversichtlich: Mit Landhandel oder Direktvermarktung würden Möglichkeiten geboten, damit jeder Betrieb seine Nische finden könnte.

Landwirte müssen ihre Produktpalette breiter aufstellen

Entscheidend sei nun für die Landwirtschaft, sich deutlich breiter aufzustellen, mahnen die Experten der Landwirtschaftskammer. Sie raten den Landwirten, eine vielfältige Fruchtfolge anzubauen, um auf diese Weise das Risiko zu streuen. „Ich kann nicht nur VW-Aktien kaufen und dann hoffen, dass die im Kurs steigen“, erklärte der Klimabeauftragte Ansgar Lasar das Prinzip.

Die Anpassungen an die veränderten Bedingungen müssten nun „peu a peu“ geschehen. „Anpassungen sind aber für die Landwirtschaft nicht neu“, so Lasar. Vor 40 Jahren hätte man bei einer Erntebilanz ja auch noch nicht von Silo- und Kornmais gesprochen.

Ich kann nicht nur VW-Aktien kaufen und dann hoffen, dass die im Kurs steigen.

Kritisch werde es zurzeit nur, weil die Veränderungen so schnell kämen und die Wetterextreme unberechenbar seien. Gesichert wisse man nur, dass es wärmer wird und dass sich die Niederschläge verschieben, erklärte Lasar. Die Prognosen für Extremwetter seien aber viel zu ungenau.

Grund dafür seien die viel zu großen Raster, mit denen die Klimaforscher arbeiteten. Wetterextreme träten häufig nur sehr lokal begrenzt auf, die Wetterereignisse würden aber in Kacheln mit einer Kantenlänge von zehn Meter erfasst.

Wenn es an der einen Ecke gutes Wetter gibt, kann es an der anderen Hageln: „Mit der einen Hand im Kühlschrank, mit der anderen auf der Herdplatte – im Durchschnitt stimmt die Temperatur dann“, sagte Lasar.


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In der Landwirtschaftskammer reagiert man nun auch organisatorisch auf die veränderten Herausforderungen durch den Klimawandel. Die Stelle des Klimabeauftragten, die es bereits seit zehn Jahren gibt, wird in Zukunft aufgewertet durch ein eigenes Sachgebiet Klimaschutz. Dort können sich landwirtschaftliche Betriebe einzeln beraten lassen, wie sich zum einen klimaschonend produzieren können. Zum anderen hilft man ihnen auch, mit den Folgen des Klimawandels besser umzugehen.