12. Apr. 2020 · 
Soziales

In der SPD wächst die Kritik an Baumarkt-Regeln

Die Rechtsverordnung der Landesregierung, mit der Kontaktverbote näher definiert und auf bestimmte Bereiche verteilt werden, stößt auch im Landtag nicht auf ungeteilte Zustimmung. Der SPD-Sozialpolitiker Uwe Schwarz sagte im Sozialausschuss des Landtags, er halte die Anfang April verkündete Wiederöffnung der Bau- und Pflanzenmärkte in Niedersachsen „für einen Fehler“. In dem Augenblick, da viele Bürger verstanden hätten, dass mit der Schließung von Geschäften eine größere Menschenansammlung vermieden werden solle, habe die Landesregierung ihre ersten Schritte wieder geändert und die Baumärkte wieder für den allgemeinen Besucherverkehr zugelassen.
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„Inzwischen haben viele Bereiche im Einzelhandel, die irgendeine bestimmte Ware im Angebot haben, einen Weg zur Öffnung gefunden. Das Nachsehen haben die spezialisierten kleinen, von ihren Inhabern geführten Einzelhandelsgeschäfte. Sie dürfen weiter nicht öffnen und drohen verloren zu gehen“, sagte Schwarz. Der Staatssekretär im Sozialministerium und Leiter des Corona-Krisenstabes, Heiger Scholz, nannte die Wiederöffnung der Baumärkte „eine Verzweiflungstat“: Da im benachbarten Nordrhein-Westfalen die Baumärkte schon vorher nicht gesperrt worden seien, habe seinerzeit ein starker Besucherverkehr dorthin stattgefunden – mit der Folge, dass das Ansteckungsgefahr beispielsweise von Osnabrückern in Münster erheblich gestiegen sei. Daher habe man entschieden, die Baumärkte hierzulande wieder zu öffnen und damit die Situation wieder zu entzerren.

Welche Läden dürfen öffnen und welche nicht?

Wie umstritten die Vorgaben der Landesregierung in den Landtagsfraktionen sind, zeigt sich auch an den Lotto-Annahmestellen. Petra Joumaah (CDU) sagte, es sei verwirrend, ob diese Läden geöffnet haben oder nicht. Ihr SPD-Kollege Schwarz meinte, der Kreis Northeim gehe sehr streng vor, im Kreis Göttingen agiere man viel großzügiger, dort hätten mehrere Geschäfte geöffnet. Scholz erklärte, vieles hänge davon ab, ob Lotto-Annahmestellen auch ein ergänzendes Sortiment hätten. Wenn Zeitungen verkauft würden oder eine Poststelle angeboten werde, würden nebenher oft die Lotto-Dienste angeboten. Bei reinen Annahmestellen gelte die Vorgabe, dass diese schließen müssten. https://www.youtube.com/watch?v=PZK2eBsmVmE Daraufhin meinte Schwarz, dass manche Vorgaben in diesem Bereich nicht nur widersprüchlich seien und schlecht begründet werden könnten. Es drohe auch die Akzeptanz der Beschränkungen darunter zu leiden, wenn die Bewertungskriterien nicht klar genug definiert sind.

Weitere Probleme hat der Sozialausschuss erörtert:

Beatmungsgeräte: Rund 2000 Intensivbetten in Krankenhäusern, die auch Beatmungsgeräte haben, gibt es in Niedersachsen derzeit – das sind 50 mehr als noch vor wenigen Wochen. Derzeit würden mehr als 160 Covid19-Patienten dort versorgt. Da etwa die Hälfte aller freien Kapazitäten für Corona reserviert seien, stünden noch 700 freie Betten zur Verfügung. Wenn von einer Verdoppelung der Fallzahlen alle zwei Wochen ausgegangen würde, wie nach bisherigem Stand anzunehmen, könnten schon ab Mitte Mai die Kapazitäten in den niedersächsischen Krankenhäusern knapp werden – auch deshalb, weil nicht genug neue Beatmungsgeräte verfügbar sind. Scholz erklärte, es gebe auch Geräte, die von den Ärzten nicht als vollwertig akzeptiert werden. Ein anderes Problem sei, dass jeder Hersteller von Beatmungsgeräten seine eigene Technik habe und viele ausländische Fabrikate hier gar nicht richtig angeschlossen werden könnten. Patientenverfügung: Zwei niedersächsische Covid19-Patienten sind verstorben, weil sie vorher in ihrer Patientenverfügung geregelt hatten, eine künstliche Beatmung als lebensverlängernde Maßnahme von vornherein auszuschließen. Sozial-Staatssekretär Scholz meinte, viele Menschen mit einer solchen Verfügung hätten vorher vermutlich ein langes Leiden im Krankenhaus im hohen Alter vor Augen gehabt, als sie diese Erklärung abgegeben haben, nicht aber das Wirken des plötzlich auftretenden und in den Langzeitfolgen unerforschten Corona-Virus. Daher sei es eine wichtige Frage für Medizinethiker, ob die Patientenverfügung auch im Fall dieser Pandemie wirksam sein könnten oder womöglich nicht.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #070.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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