7. Apr. 2021 · 
Soziales

Impfstoff für alle über 60? Land stoppt Versuch in Göttingen

Wann soll die strikte Reihenfolge, wie sie in der Prioritätenliste der „Ständigen Impfkommission“ (Stiko) festgelegt wurde, in Niedersachsen gelockert werden? Die Sprecherin des Gesundheitsministeriums, Stefanie Geisler, betonte gestern noch einmal: „Das Land bleibt dabei: Es muss bei der festgelegten Reihenfolge bleiben.“ Einen Tag vorher hatte ihre Ministerin Daniela Behrens angedeutet, man könne womöglich im Mai von der strengen Vorgabe abweichen – wenn wesentlich mehr Impfstoff zur Verfügung steht und die Hausarztpraxen im nennenswerten Umfang in die Impfaktion einbezogen werden können. Das ist gegenwärtig nun noch nicht der Fall. Überraschend kam am gestrigen Mittwoch die Mitteilung des Sozialministeriums, dass die Stadt Göttingen zur Änderung ihres Verhaltens angewiesen wird. In Göttingen war angekündigt worden, dass für die am Abend eines Tages übrigbleibenden Impfdosen all jene interessierten Bürger in Betracht kommen könnten, die das 60. Lebensjahr überschritten haben. „Das entspricht nicht den Vorgaben, deshalb weisen wir die Stadt Göttingen an, ihr Vorgehen zu ändern“, sagte Geisler.

Das Land bleibt dabei: Es muss bei der festgelegten Reihenfolge bleiben.

Zunächst müssten die 18.000 Niedersachsen über 80 auf der Warteliste in Betracht kommen, die noch keine Impfung erhalten hatten. In der dann folgenden Prioritätengruppe II sollten zuerst Rettungssanitäter, Erzieher in Kindergärten, Menschen über 70 oder Menschen mit schweren Vorerkrankungen vorrangig bedient werden – das sehe die Stiko-Empfehlung so vor. Immerhin habe die Prioritätengruppe II in Niedersachsen einen Umfang von 3,8 Millionen Menschen. Solange diese nicht abgearbeitet sei, könne man die Aktion nicht für alle Interessierten über 60 öffnen. Woran hat es gelegen, dass in Göttingen ein Plan entwickelt wurde, der im Sozialministerium auf Missfallen stößt? Geisler erklärte, die Impfzentren leisteten die Koordination vor Ort in eigener Verantwortung. Sie müssten sich aber an die Vorgaben halten, das habe das Ministerium klar kommuniziert. In einem Erlass des Ministeriums werde klar erklärt, wem der Impfstoff Astrazeneca zuerst angeboten werden muss.

Wirbel um OVG-Entscheidung

Nachdem das Oberverwaltungsgericht Lüneburg die von der Region Hannover verfügte nächtliche Ausgangssperre in einem Einzelfall gekippt hatte, hob die Regionsverwaltung die Sperre allgemein auf. Die Sprecherin der Landesregierung, Katrin Riggert, verwies ausdrücklich darauf, dass das Gericht nicht die Landesverordnung angegriffen habe, sondern sich allein auf schwere Mängel in der Verfügung der Region Hannover beziehe. So sehen die Richter einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Region habe für das gesamte Gebiet eine radikale Ausgangssperre verhängt und mildere Mittel (etwa Betretungsverbote für bestimmte Plätze, an denen sich oft viele Menschen treffen) vorher nicht ausgetestet. Die Region habe nicht nachgewiesen, dass sie vorher andere Bemühungen unternommen hätte, Menschenansammlungen in Abendstunden zu unterbinden. Es seien von der Region „nicht nachprüfbare Behauptungen“ genannt worden – und die reichten zur Begründung für einen so weitreichenden Schritt wie eine allgemeine Ausgangssperre nicht aus. Das Urteil ist eine schallende Ohrfeige für die Verwaltung der Region Hannover. Die Regierungssprecherin Riggert erklärte für die Landesregierung, dass man nun den Kommunen Handreichungen für die Definition von Ausgangssperren geben wollen – einschließlich wissenschaftlicher Aufsätze, in denen der Nutzen eines solchen Schrittes zur Eindämmung der Pandemie belegt wird.

Bewerbungen für zweite Runde

Neben den 14 Kommunen, die demnächst das Modellprojekt starten (Zutritt zu Geschäften und Gaststätten für Getestete), sollen elf weitere hinzukommen. Die Bewerbungsfrist dafür endet am 13. April, ausgewählt wird am 17. April. Diejenigen unter den 65 Kommunen, die bisher nicht ausgesucht worden waren, bleiben im Topf der Interessenten. Das gilt auch für die Samtgemeinde Elbtalaue, die zunächst nominiert worden war, bevor dann nach der Feststellung eines Formfehlers die Entscheidung wieder zurückgenommen wurde.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #065.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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