3. März 2020 · 
Bildung

Im Rechtsstreit um die Arbeitsbelastung der Lehrer stehen bald erste Urteile an

In der gerichtlichen Auseinandersetzung um die Arbeitszeit von Lehrkräften in Niedersachsen wird es schon bald die ersten Urteile geben. Am 26. März geht es vor dem Verwaltungsgericht Hannover um die Fall eines Grundschulleiters, am 12. Mai in Osnabrück um den Fall einer Grundschulleiterin. Die Urteile werden voraussichtlich am selben Tag fallen. Laura Pooth, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Niedersachsen (GEW), machte am Dienstag deutlich, dass die Geduld mit dem Kultusminister im Streit um die Arbeitszeit langsam zu Ende ist.

Der Kultusminister hat aus dem Runden Tisch eine lange Bank gezimmert. Das lassen wir nicht durchgehen.


„Alle Daten und Fakten liegen auf dem Tisch. Uns wäre eine politische Lösung lieber, aber wenn wir nichts erreichen, gehen wir eben den juristischen Weg“, erklärte Pooth. Sie warf Minister Grant Hendrik Tonne vor, das Ziel der Arbeitsentlastung für Lehrkräfte auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben. Die Empfehlungen der Arbeitszeitkommission, die bereits seit Herbst 2018 vorlägen, habe er in einen Stufenplan umgearbeitet und diesen dem Runden Tisch vorgelegt. Passiert sei aber nichts. „Der Kultusminister hat aus dem Runden Tisch eine lange Bank gezimmert. Das lassen wir nicht durchgehen“, so Pooth. Studien der GEW hätten schließlich ergeben, dass sich allein bei den Lehrkräften an Gymnasien, Grund- und Gesamtschulen jedes Jahr sechseinhalb Millionen Überstunden anhäuften, die nicht ausgeglichen würden. [caption id="attachment_47992" align="alignnone" width="780"] Foto: MB[/caption] Zehn Grundschul- und drei Gymnasiallehrkräfte hatten die Musterklagen an den Verwaltungsgerichten im Frühjahr 2018 eingereicht. Zuvor hatten sie sich aus der Arbeitszeitstudie der GEW ihre individuelle Arbeitszeit ausrechnen lassen. Diese liegt laut GEW jeweils bei über 50 Wochenstunden.  „Ziel des Verfahrens ist eine Entlastung durch den Dienstherren. Die Aufgaben müssen innerhalb der 40-Stunden-Woche bewältigt werden können“, erklärte Fachanwalt Ralph Heiermann. Die Argumentation des Landes, die Lehrer könnten ihre Arbeitszeit selbst einteilen und Aufgaben auch einmal schieben, nannte der Rechtsanwalt „schlicht“. Es bleibe unklar, wo genau man Arbeiten schieben könne. Die Arbeitszeit werde schließlich regelmäßig überschritten, da nutze auch eine Verschiebung einzelner Arbeiten nichts. Unter den Klägern ist Frank Post, Leiter einer Grundschule in Hannover-Stöcken. Er arbeitet der Studie zufolge 53 Stunden pro Woche. „Das geht nicht nur mir so, sondern allen anderen Lehrkräften in den Schulen. An den Missständen hat sich nichts geändert“, sagte Post und kritisierte, dass immer wieder neue Belastungen hinzukämen. Als Beispiele nannte er die Integration von Quereinsteiern oder auch Sanierungen der Schulgebäude. Hier begleite man als Schulleiter einen Prozess von zehn Jahren. Auch die Digitalisierung in den Schulen liege in den Händen der Schulleiter. https://www.youtube.com/watch?v=OgX3PA4TrXA Pooth forderte am Dienstag Sofortmaßnahmen, um die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte in den Griff zu bekommen. So sei die Unterrichtsverpflichtung an Grundschulen viel zu hoch, deshalb seien auch keine Grundschulleiter mehr zu finden. Die Verpflichtung müsse von 28 auf 26 Stunden abgesenkt werden. Pooth forderte außerdem für die Sekundarstufe 1 eine Obergrenze bei den Unterrichtsstunden, die wie an den Oberschulen bei 25,5 Stunden liegen müsse. Darüber hinaus müssten in Gymnasien und Berufsschulen die Anrechnungsstunden für besondere Belastungen deutlich erhöht werden. Für Julia Hamburg, schulpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, sind die Klagen der Lehrkräfte die „Quittung für das Nichtstun der Landesregierung“. Die Lehrer bräuchten absehbar und dauerhaft Entlastung, der Kultusminister müsse die Vorschläge der Arbeitszeit-Kommission endlich umzusetzen. „Die bisherigen Vorschläge des Ministeriums zur Entlastung sind ein schlechter Witz und ein Schlag ins Gesicht der überlasteten Lehrkräfte“, kritisierte Hamburg. Der FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling sagte: „Dass es jetzt Klagen wegen der Arbeitsbelastung der Lehrkräfte gibt, hat sich abgezeichnet. Die Lehrkräfte sind es leid, von Kultusminister Tonne immer nur wohlmeinende Worte zu hören und mit Dialogforen vertröstet zu werden. Das System Schule droht zu kollabieren, sollte der Minister nicht langsam auch mal spürbare Entlastungen voranbringen.“
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #043.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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