Kurz vor der Landtagsentscheidung über die Änderung der Kommunalverfassung deutet sich eine weitaus stärkere Erleichterung von kommunalen Bürgerentscheiden an. Wie der Verein „Mehr Demokratie“ mit Verweis auf einen rot-grünen Änderungsvorschlag für die Landtags-Innenausschusssitzung nächste Woche berichtet, soll das Quorum der nötigen Unterschriften für den Start eines Bürgerbegehrens auf 7,5 Prozent der Wahlberechtigten festgelegt werden. Nur in Region und Stadt Hannover sollten es fünf Prozent sein. Bisher gelten landesweit zehn Prozent, für Hannover 48.000 Unterschriften. Tim Weber von „Mehr Demokratie“ erläutert, dass das Innenministerium zunächst eine andere Staffel des Quorums vorgesehen hatte: wie bisher zehn Prozent in Gemeinden bis 100.000 Einwohnern, 8000 Unterschriften für Kommunen bis 200.000 Einwohnern und fünf Prozent für alle darüber. Diese Idee würde für Braunschweig bedeuten, dass die Hürden noch etwas niedriger sind als im aktuellen rot-grünen Vorschlag mit 7,5 Prozent.

„Mehr Demokratie“ streitet seit langem bundesweit für die Erleichterung kommunaler Bürgerentscheide. Niedersachsen sei „ein bisschen langsamer als andere Länder“, da hier eine Tradition der direkten Demokratie fehle. Vor 20 Jahren wurden Bürgerentscheide in die Gemeindeordnung eingefügt, seitdem gab es landesweit 95 – das sind etwa fünf im Jahr, verteilt auf rund 1000 Kommunen. Mit der jetzt geplanten Reform der Kommunalverfassung gibt es weitere Änderungen: Das Zustimmungsquorum sinkt von 25 auf 20 Prozent – künftig hat ein Bürgerentscheid also Erfolg, wenn mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten am Tag der Entscheidung mit „Ja“ stimmen. Außerdem sollen vor dem Termin Benachrichtigungskarten verschickt werden. Ein Kostendeckungsvorschlag, der für die Initiatoren von Bürgerentscheiden bisher verpflichtend war, ist nicht mehr erforderlich. Ausdrücklich festgeschrieben werden soll, dass der Rat keine Fakten in der Sache mehr schaffen kann, sobald ein zulässiges Bürgerbegehren angeschoben worden ist. Fälle wie in Buxtehude, wo eine Bürgerinitiative zur Verhinderung von Hochwasserschutz in der Innenstadt ausgebremst wurde, sollen damit nicht mehr möglich sein. Allerdings bleibt die Bauleitplanung, die neue Baugebiete angeht, auch nach dem neuen Gesetzesvorschlag von kommunalen Volksentscheiden verschont – hier soll wie bisher allein der Rat der Gemeinde das Sagen haben.

Der Bürgermeister der Samtgemeinde Tostedt, Peter Dörsam (Grüne), hat Befürchtungen widersprochen, mehr Bürgerentscheide würden die repräsentative Demokratie in den Kommunen schwächen. „Ich beobachte eher das Gegenteil, dass nämlich Bürgerbegehren erst viele Leute an die Kommunalpolitik heranführen“, sagte er. Allerdings hat laut Weber ein Bürgerentscheid oft auch einen „Beschleunigungsfaktor“ für kommunale Konflikte, die durch ein Plebiszit verschärft und aufgebauscht werden können. Der fehlende Kostendeckungsvorschlag für Bürgerentscheide gefährdet laut „Mehr Demokratie“ nicht die ausgeglichenen Finanzen einer Kommune, da ja im Vorfeld der Abstimmung über die Folgen – also auch mögliche Steuererhöhungen – heftig diskutiert werde. Wenn eine überschuldete Kommune sich per Bürgerentscheid für eine untragbare Investition (etwa ein neues Hallenbad) ausspricht, könne die Kommunalaufsicht auch nach den neuen Gesetzesvorschlägen die Umsetzung eines solchen Beschlusses immer noch stoppen.