Der SPD-Bezirk Braunschweig, einer von vier starken Parteigliederungen der Sozialdemokraten in Niedersachsen, hat sich am Wochenende im Goslarer Hotel „Der Achtermann“ neu aufgestellt. Nach 14 Jahren als Vorsitzender hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil dieses Parteiamt abgegeben – der Nachfolger des 50-Jährigen ist Thorsten Kornblum (41), Oberbürgermeister von Braunschweig. Diese Staffelübergabe vollzieht sich nun mit vierjähriger Verspätung.

Heil hatte schon 2009 vor, als Bezirkschef abzutreten. Doch als sich dann eine Kampfabstimmung gegen den von ihn vorgeschlagenen Nachfolger Falko Mohrs abzeichnete, lenkte Heil ein und bewarb sich für eine weitere Amtszeit. „Der geplante Verzicht war damals ein Fehler“, bekannte er jetzt auf dem Bezirksparteitag in Goslar. Für Kornblum als neuen Vorsitzenden sprachen sich in der folgenden Wahl 131 von 137 Delegierten aus, also 95,6 Prozent. Zwei Delegierte waren gegen ihn, vier hatten sich enthalten.
Die niedersächsische SPD ist als Landesverband lediglich ein Dachverband für vier starke regionale Bezirke. Der größte mit fast der Hälfte aller niedersächsischen SPD-Mitglieder ist Hannover, dann folgen Weser-Ems und Braunschweig, der kleinste Bezirk ist dann noch Nord-Niedersachsen. In seiner Abschiedsrede vor den Delegierten nutzte Heil die Möglichkeit, einige politische Signale zu setzen. So erinnerte er an die Situation im Jahr 2009, als er den SPD-Bezirksvorsitz in der Nachfolge für Sigmar Gabriel übernahm. „Das waren dunkle Jahre“, resümierte Heil und begründete, sowohl im Land Niedersachsen als auch in der Stadt Braunschweig und im Bund sei die SPD seinerzeit nicht an der Macht gewesen.

Als Bezirkschef habe er damals „etwas Ungewöhnliches getan“, nämlich ein Bündnis mit den Hannoveranern geschmiedet, damit Stephan Weil SPD-Spitzenkandidat werden konnte. „Das fiel mir nicht leicht, zumal der Gegenkandidat unser damaliger Landesvorsitzender Olaf Lies war“, sagte Heil. „Aber die Art und Weise, wie Weil und Lies sich danach untergehakt haben, anstatt sich zu belauern, das ist eine Lehre auch für künftige Personalentscheidungen“, fügte er hinzu. Dann folgte noch ein perspektivischer Satz von Heil: „Was immer noch kommen mag: Wir wissen, dass Olaf Lies ein großer Hoffnungsträger für die niedersächsische SPD ist. Und ein Freund ist er auch.“

Heil ging auch noch auf andere aktuelle Streitfragen ein. Er wünsche sich von der Landesregierung „eine stärkere Berufsorientierung in den Schulen, auch in den Gymnasien, schon von der fünften Klasse an“. Die Wirtschaft brauche „nicht nur Master, sondern auch Meister“. Was die Asyl- und Flüchtlingspolitik angeht, erinnerte Heil an das Jahr 1992. Damals habe er als junger Jungsozialist gegen Beschränkungen des Asylrechts im Grundgesetz gekämpft. Heute aber wisse er: „Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die nicht das Recht haben, nach Deutschland zu kommen, auch zurückgeführt werden. Sonst werden wir von einer Stimmung überrollt – ähnlich wie es schon 1992 war.“
„Es darf keine Einwanderung in die Sozialsysteme geben, sondern nur eine Einwanderung in den Arbeitsmarkt. Außerdem dürfen wir nicht zulassen, dass Einwanderung zur Lohndrückerei missbraucht wird.“
Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister
Der Bundesminister fügte hinzu, dass Asyl für politisch Verfolgte selbstverständlich sein müsse. „Zwei rote Linien“ sehe er aber: „Es darf keine Einwanderung in die Sozialsysteme geben, sondern nur eine Einwanderung in den Arbeitsmarkt. Außerdem dürfen wir nicht zulassen, dass Einwanderung zur Lohndrückerei missbraucht wird.“ Der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil sagte in seinem Grußwort, die Bundesregierung dürfe in der Klimapolitik „nicht mit dem Kopf durch die Wand“, beim Gebäude-Energiegesetz müssten „die Belange der Menschen auf dem Lande besser berücksichtigt werden“. Mit Blick auf die Grünen, ohne diese direkt zu nennen, fügte Klingbeil zwei Kritikpunkte hinzu: „Manche scheinen in der Ukraine-Debatte direkt von den Ostermärschen auf die Truppenübungsplätze gegangen zu sein.“ Und dann: „Wir sollten aufhören, Außenpolitik mit dem gehobenen Zeigefinger zu machen.“

Kornblum war von Heil vorgestellt worden als „ein erwachsener Idealist“. Er sei als Kommunalpolitiker pragmatisch, höre deswegen aber nicht auf, die Welt verbessern zu wollen und dafür die nötigen Schritte zu gehen. Gegen Kornblum als Kandidaten war im Vorfeld eingewandt worden, er könne in Rollenkonflikte geraten – und schlecht die Überparteilichkeit als Verwaltungschef mit einem führenden Parteiamt verknüpfen. In seiner Vorstellungsrede ging Kornblum darauf kurz ein: „Ein Oberbürgermeister ist in der Amtsausübung zur Neutralität verpflichtet. Das heißt doch aber nicht, im Ehrenamt nicht deutlich Gesicht zeigen zu können. Das tue ich jetzt: Ich zeige mein Gesicht.“