16. Dez. 2019 · 
Finanzen

Nord/LB: Grünes Licht für die Risiko-Rettung

Der letzte Satz in der Rede von Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers bleibt Wunschdenken. Bei den ganz großen Entscheidungen, die mit viel Geld zusammenhängen und mit weitreichenden Konsequenzen, sei es doch bisher Brauch gewesen, eine ganz breite parlamentarische Unterstützung zu sichern, sagt der CDU-Politiker am Montag im Landtag. Es klingt etwas wehmütig. Denn bei dieser Rettungsaktion für die Norddeutsche Landesbank, der dritten in den vergangenen 15 Jahren, steht die Koalition allein – die Opposition ist geschlossen dagegen. https://www.youtube.com/watch?v=jbTvt3v_plE&t=6s Nun bringen SPD und CDU allein schon genug Stimmen auf die Waage, das Nein von Grünen, FDP und AfD fällt da nicht sonderlich ins Gewicht. Dennoch hat das Ergebnis einen Schönheitsfehler: Seit mehr als zwei Jahren wurde über die Stützung der Landesbank diskutiert, viele Konzepte wurden entworfen und wieder verworfen, aufwendige Prüfungen wurden in Gang gesetzt. Mit der Bundesregierung in Berlin, der Bankenaufsicht in Frankfurt und der EU-Kommission in Brüssel wurde gerungen, oft bis tief in die Nacht. Privatinvestoren und andere Landesbanken zeigten Interesse und verloren es wieder.

Faule Schiffskredite brachten die Bank in Schräglage

Am Ende dieser Anstrengungen, in deren Mittelpunkt stets Hilbers als Aufsichtsratschef der Nord/LB agierte, steht nun der Landtagsbeschluss vom gestrigen Montag. Ein Gesetz wird beschlossen, der Staatsvertrag geändert: Niedersachsen trägt jetzt zum 3,6-Milliarden-Rettungspaket einen Anteil von 1,5 Milliarden Euro an direkten Stützungen und weiteren 800 Millionen Euro an kapitalwirksamen Garantien.
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Aber ist das nun der angemessene Weg? Hilbers, die SPD-Finanzpolitikerin Frauke Heiligenstadt und ihr CDU-Kollege Christian Fühner sehen das in der Schlussdebatte nachdrücklich so. Man habe sich die Sache nicht leicht gemacht, Alternativen sorgfältig gegeneinander abgewogen und die Risiken intensiv gewichtet. Die faulen Schiffskredite hatten die Nord/LB in eine Schräglage gebracht, und die Schwierigkeiten entstanden, weil für die anderen, durchaus profitablen Geschäftsbereiche nicht genügend Eigenkapital der Landesbank zur Verfügung stand. Jetzt wird dieses Eigenkapital um insgesamt 3,6 Milliarden Euro gestärkt, gleichzeitig schrumpft die Bank auf die Hälfte ihrer Bilanzsumme und ihrer Mitarbeiterzahl. Das Geschäftsmodell soll im Großen und Ganzen so bleiben wie bisher, nur die Schiffsfinanzierungen werden ausgeklammert. „Regionaler“ soll die Bank auch werden. Neben den Ländern Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ist die Familie der deutschen Sparkassen, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV), mit insgesamt 1,1 Milliarden Euro an der Rettungsaktion beteiligt. Für wichtige Finanzierungen, etwa für Agrarinvestitionen oder erneuerbare Energien, brauche man auch eine leistungsfähige Großbank, meint Heiligenstadt in der Debatte, und bei der Nord/LB sei etwa bei Windkraft „das beste Knowhow weltweit vorhanden“. Dies gelte es zu sichern. Schließlich sei die Nord/LB „eine profitable Bank, die gutes Geld verdient“, ergänzt Fühner. Deshalb habe sich die Koalition klar für den Erhalt dieser seit 1970 bestehenden Einrichtung entschieden. Der CDU-Mann sagt es so, als wäre es ein Bekenntnis.

FDP fordert Zusammenlegung der Landesbanken

Die Opposition sieht es anders. Stefan Wenzel (Grüne) erinnert an zehn Milliarden Euro, die seit 2002 vom Land Niedersachsen in die Bank gesteckt wurden – erst wegen des Wegfalls der Gewährträgerhaftung, dann wegen der Umwandlung stiller Einlagen und jetzt wegen der schwachen Eigenkapitalbasis zusammen mit den Schiffskrediten. „Bleibt es beim dritten Akt oder müssen wir den vierten Akt befürchten“, fragt Wenzel – und zeigt offen Distanz zum neuen Geschäftsmodell, das im Grunde das alte sei, nur verkleinert. Die riskanten Felder blieben bestehen, das Problem der niedrigen Zinsen und der Wettbewerbsdruck auf dem Bankensektor laste auf der Nord/LB. Christian Grascha (FDP) kritisiert, dass gerade die SPD vor nötigen Veränderungen bei der Landesbank über Jahre die Augen verschlossen habe. Unter Rot-Grün habe man dann sogar 200 Millionen Euro für die Eingliederung der Bremer Landesbank, die schon pleite gewesen sei, in die Nord/LB gesteckt – „das war ein politischer Preis“. Die Bremer Beteiligung habe in der Folge die Probleme der Nord/LB noch verschärft. Und wenn Minister Hilbers heute so tue, als könne die Nord/LB in den kommenden Jahren mit Leichtigkeit die gewünschten Renditen für das Land bringen, dann grenze das „an Volksverdummung“. Was wirklich nötig sei, sei ein Vorschlag, die Nord/LB schrittweise mit anderen Landesbanken zu einem einzigen Institut in Deutschland zusammenzuführen. „Hier sollte die Landesregierung aktiv werden und handeln“, betont der FDP-Politiker, „aber ich sehe und höre nichts“. Auch die Privatisierung der Nord/LB, die im Sommer geprüft wurde, sei von der Koalition nicht ernsthaft erwogen worden – „denn die SPD hat doch von Anfang an gesagt, dass sie das nicht mitmachen wird“.

AfD fordert sehr deutlich die Abwicklung der Nord/LB

Klarer als FDP und Grüne plädiert Peer Lilienthal (AfD) für eine „Abwicklung“ der Nord/LB, also eine Zergliederung der Landesbank unter der Regie der EU mit dem Ziel, die lohnenswerten Teile möglichst zu erhalten. Wegen ihrer Eigenkapitalprobleme sei die Nord/LB heute unaufholbar im Rückstand bei der Digitalisierung, sie konkurriere mit großen Sparkassen wie denen in Hamburg und Hannover und sie solle bei den erneuerbaren Energien weiter einen Markt bedienen, der jetzt schon staatlich reguliert sei. Was genau die Nord/LB so unverwechselbar wertvoll mache in einem Finanzmarkt, in dem sie keine Sonderstellung habe, bleibe unbeantwortet. https://soundcloud.com/user-59368422/wir-mussen-auch-einmal-uber-das-verdienen-sprechen-nicht-nur-uber-das-verteilen Eine Abwicklung? Heiligenstadt widerspricht, denn dies könne die Sparkassen nicht nur als bisherige Anteilseigener der Nord/LB stark belasten, sondern auch den Sicherungsfonds der Sparkassen als solchen gefährden. Fühner ergänzt, die Abwicklung hätte auch den Landeshaushalt viel stärker beansprucht – mit bis zu zehn Milliarden Euro für Garantien und die Übernahme von Pensionsverpflichtungen. Hilbers wendet sich ebenfalls dagegen, und er rügt auch die Position der Grünen, die „stillen Teilhaber“ an der Nord/LB, die 3,6 Milliarden Euro an Einlagen tragen, an der Sanierung der Landesbank zu beteiligen. „Diesen Weg hatte die Bankenaufsicht schon frühzeitig kategorisch abgelehnt“, betont der Minister. Wenzel wisse das, rede aber trotzdem immer wieder über diesen Vorschlag. Am Ende erheben sich die Abgeordneten von SPD und CDU für das in zwei Gesetze gegossene Rettungspaket, die Mehrheit wird festgestellt. „Das war die teuerste Entscheidung dieser Wahlperiode“, sagt Wenzel dazu. (kw)
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #224.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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