1. Apr. 2024 · 
Inneres

Hilfsorganisationen klagen: „Wir bleiben immer noch auf unseren Kosten sitzen“

Die rot-grüne Koalition will den Katastrophenschutz stärken – und dabei eine enge Verzahnung zwischen den ehrenamtlichen Hilfskräften und den hauptamtlichen Stellen erreichen. Im Innenausschuss konnten kürzlich die Kommunen, die Rettungsdienste und die Verbände der Helfer zum gegenwärtigen Zustand des Zivil- und Katastrophenschutzes in Niedersachsen Stellung nehmen. Der Landesgeschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Ralf Selbach, übte dabei grundsätzliche Kritik an der bisherigen Organisation, die seit vielen Jahrzehnten überliefert sei.

Ralf Selbach, Landesvorsitzender des DRK Niedersachsen | Foto: Link

„Katastrophenschutz ist Ländersache, der Zivilschutz ist Bundessache. Wir brauchen jetzt einen Masterplan und müssen den Zivil- und Katastrophenschutz in Deutschland eng miteinander verzahnen. Wenn der Bund erklärt, eine Milliarde Euro für die Bundeswehr investieren zu wollen, dann sollte das verknüpft werden mit den Anstrengungen der Länder für einen besseren Katastrophenschutz.“

Der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, Stefan Wittkop, zweifelt an der bisherigen Finanzausstattung seitens des Landes. In einigen südlichen Bundesländern seien die Anstrengungen wesentlich verstärkt worden, das sei auch in Niedersachsen nötig. Er sprach von der Notwendigkeit eines „Masterplanes“ und nannte eine Größenordnung: 100 Millionen Euro jährlich über einen Zeitraum von fünf Jahren seien angemessen. Dabei gehe es beispielsweise um die Erneuerung des Fahrzeugparks im Katastrophenschutz.

Die Zwischenbilanz vieler Kräfte, die im Katastrophenschutz aktiv sind, war in der Sitzung des Landtags-Innenausschusses unterschiedlich:

Hochwassereinsatz in der Kritik

Wittkop vom Städtetag sagte auf Nachfragen, die Kommunikation während des Weihnachtshochwassers sei möglicherweise nicht überall optimal gewesen. Zwischen Harzwasserwerken und Kommunen etwa könne es gehakt haben. Er wolle darüber aber noch nicht urteilen – „das muss erst einmal erörtert werden“. Niedersachsen habe Glück gehabt, dass in anderen Ländern das Hochwasser kein Problem war, deshalb habe man aus benachbarten Ländern die Sandsack-Reserve abzapfen können.

Das DRK im Hochwassereinsatz. | Foto: C. di Palma/DRK-Region Hannover

Überschaubarer Kreis an Helfern

Sina Dittelbach von der Stadt Delmenhorst berichtete, dass immer weniger Leute bereit seien, sich ehrenamtlich für Rettungsdienste zu engagieren. Man treffe stets auf dieselben Leute, die allesamt schon mehr als ausgelastet seien. Die Helfer-Gleichstellung ist von der CDU im Landtag beantragt worden – auch Rot-Grün peilt das an. Es geht darum, auch Helfern der Rettungsdienste im Ernstfall eine Freistellung, Entschädigung oder Anspruch auf finanzielle Ersatzleistung zu gewähren. Für die Feuerwehr gilt das bereits.

Feuerwehrlehrgänge verändert

Mirko Temmler, Präsident des Niedersächsischen Landesamtes für Brand- und Katastrophenschutz, lobt die Neuorganisation der Feuerwehr-Lehrgänge. Er betont zugleich, dass man damit nicht die Verantwortung an die Kommunen weitergegeben habe. Der Stau an Lehrgangswünschen, die nicht hätten erfüllt werden können, sei abgebaut worden.

Mirko Temmler | Foto: Link

Olaf Kapke vom Landesfeuerwehrverband warnte, das Land solle die Probleme Schritt für Schritt mit Augenmaß lösen und sich nicht übernehmen. Eine optimale Vorbereitung auf Hochwasser-Lagen sei gut, aber der Schutz vor Waldbränden müsse ebenfalls noch verbessert werden. Wenn es um die Kreisfeuerwehrbereitschaften geht, müsse ja nicht jede Kreisfeuerwehr die gesamte Bandbreite an Material haben. Wichtig sei aber, dass die Information über die Verfügbarkeit von Ausrüstungen schnell und unkompliziert abgerufen werden kann.

Johanniter und DRK sehen Benachteiligung:

Michael Homann von der Johanniter-Unfall-Hilfe klagt, dass die Kommunen die sachliche Ausstattung der Dienste finanziell unterstützen sollen – in der Praxis betrage der Zuschuss oft aber nicht mehr als zehn Prozent. Ralf Selbach vom DRK sagt, die niedersächsischen Hilfsorganisationen hätten jährliche Kosten von 10 bis 15 Millionen Euro für Gebäudeunterhaltung und Versicherung. Investitionen etwa für den Schutz gegen Cyberattacken müssten sie selbst organisieren. „Das fordert uns extrem heraus“, sagt er.

Dieser Artikel erschien am 2.4.2024 in Ausgabe #060.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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