2. Mai 2024 · 
Inneres

Hat die Staatssekretärin Druck verspürt? „Was heißt schon Druck?“

Wie ist es dazu gekommen, dass die Büroleiterin von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im vergangenen August mit einem kräftigen Gehaltssprung bedacht wurde – obwohl das Finanzministerium vor diesem Weg zunächst vehement gewarnt hatte? Dieser Sachverhalt wird seit dem gestrigen Donnerstag von einem Untersuchungsausschuss des Landtags aufgehellt. Zur ersten öffentlichen Sitzung des Gremiums waren am Donnerstag drei Zeuginnen aus dem Finanzministerium geladen. Als erste trat Staatssekretärin Sabine Tegtmeyer-Dette (Grüne) auf. Sie war es, die einige Wünsche der Staatskanzlei in ihrem Ministerium durchsetzen musste.

Die erste Zeugin: Finanz-Staatssekretärin Sabine Tegtmeyer-Dette | Foto: Wallbaum

Eine Kardinalfrage kam in der Sitzung unerwartet vom SPD-Sprecher Wiard Siebels, der als Vertreter der Koalition eher für die Entlastung zuständig sein soll. Ob sie denn irgendwann Druck verspürt habe, wird Tegtmeyer-Dette gefragt. „Gab es Druck? Was heißt schon Druck? Als Staatssekretärin muss man täglich Anforderungen aus unterschiedlichen Richtungen in Einklang bringen, teilweise Dinge, die konträr zueinander stehen. Das baut schon Druck auf, aber das ist normal.“ Vermutlich hatten manche im Ausschuss die Antwort erwartet, dass sie sich nie unter Druck gesetzt gefühlt habe. Tegtmeyer-Dette wird in der mehrstündigen Sitzung nach dem monatelangen Hin und Her zwischen Staatskanzlei und Finanzministerium befragt, nach verschiedenen Mails, in denen unterschiedliche Bewertungen ausgetauscht wurden. Ein wichtiges Datum in diesem Zusammenhang ist die Haushaltsklausur-Tagung der Landesregierung Anfang Juli 2023. Am Rande der Sitzung hatten sich Tegtmeyer-Dette, Staatskanzleichef Jörg Mielke, Finanzminister Gerald Heere und Ministerpräsident Stephan Weil über die Beförderung der Büroleiterin unterhalten. Mehrfach betont Tegtmeyer-Dette zu Beginn, ohne überhaupt danach gefragt worden zu sein, dass Weil in dieser Runde ausdrücklich erklärt habe, „kein Interesse an einer Einzelfallentscheidung für seine Büroleiterin“ zu haben, sondern eine „sachgerechte Änderung der allgemeinen Verwaltungspraxis“ anzustreben.

In der weiteren Befragung allerdings räumt die Finanz-Staatssekretärin dann ein, dass „Ausgangspunkt der Gespräche immer die Personalie der Büroleiterin“ gewesen sei. Als dann die Staatskanzlei darauf drängte, die Einstellungspraxis zu ändern und dafür ein Gesamtkonzept vorzulegen, sei die Höherstufung der Mitarbeiterin Weils eine „vorweggenommene Einzelfallentscheidung“ gewesen. Das deutet dann sehr klar auf den Umstand hin, dass sich im Kern alles stets um die Personalie der Büroleiterin drehte. Im Juni spielte der Fall eine große Rolle, dann wieder im Juli, und sogar noch Mitte November, als Tegtmeyer-Dette an ihre Abteilungsleiterin eine Mail richtete mit der Aussage: „Die Personalie ist leider noch nicht abgeschlossen.“ Der Ministerpräsident selbst habe sich klar geäußert, mit ihm habe sie in der Sache aber nur einmal geredet. Bei Mielke, sagt Tegtmeyer-Dette, sei in vielen Unterhaltungen „nicht immer so eindeutig klar gewesen, um was es ging“. An einem Sonntag im Juli rief die Finanz-Staatssekretärin enge Mitarbeiter zu einer Skype-Konferenz zu dieser Frage zusammen. Was genau dort besprochen sei? „Ich kann mich nicht genau erinnern“, sagt Tegtmeyer-Dette. Mitte November schreibt sie in einer Mail, dass es zu der Personalie „Anfragen aus dem politischen Raum“ gebe – also zu einer Zeit, als der Fall der Büroleiterin noch gar nicht öffentlich war. Wer war gemeint? „Ich weiß es nicht mehr genau, es kommen dafür Minister oder Staatssekretäre in Betracht“, sagt die Zeugin. Bundespolitiker seien es jedenfalls nicht gewesen.

Gibt vor dem Sitzungssaal eine erste Einschätzung ab: die Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU, Carina Hermann. | Foto: Wallbaum

Die CDU-Vertreter haken an manchen Stellen nach. Das gilt etwa für Mitte Juli, als Mielke die klare Erwartung äußerte, die Höherstufung der Büroleiterin jetzt zügig vorzunehmen. Damals meinte der Staatskanzleichef, aus seiner Sicht sei ein Einverständnis des Finanzministeriums gar nicht erforderlich. Bei den damals noch gültigen Rechtsvorschriften war das aber sehr wohl der Fall, meinten mehrere hochrangige Fachbeamte des Ministeriums. Ausschließlich Minister Heere selbst, so berichtet seine Staatssekretärin jetzt, habe damals gemeint, man müsse Mielkes Position als „nachvollziehbar“ ansehen und könne darüber nicht einfach hinweggehen. Hat Heere nun diese Haltung eingenommen, bevor er seinen regelmäßigen Gesprächstermin mit dem Ministerpräsidenten am 25. Juli 2023 hatte – oder war das unmittelbar danach? Die Frage bleibt unbeantwortet.

Kritisch wird auch die Darstellung der Staatskanzlei beleuchtet, man habe die Neuregelung der Praxis für außertarifliche Bezahlung deshalb getroffen, um die Attraktivität der Landesverwaltung zu erhöhen. Ist dieses Argument überzeugend? Die neue Vorschrift, nach der Angestellte im öffentlichen Dienst schon nach sehr kurzer Frist und ohne die früher übliche Wartezeit eine hohe AT-Zuwendung erhalten können, gilt nur für B2-Stellen in den Ministerien – und das sind rund 200 Stellen. Hier betroffen sind indes nur jene, die als Angestellte auf diese Leitungsposition gelangen – und da überwiegend Beamte hier tätig seien, sind nur rund 30 dieser Positionen mit Angestellten besetzt. Jens Nacke von der CDU will wissen, wieso in diesem Fall von einer „Attraktivitätssteigerung“ gesprochen werden könne, wenn es doch um einen relativ überschaubaren Kreis von Ministern oder Ministerpräsidenten gehe, deren Ämter dann meistens auch gar nicht öffentlich ausgeschrieben werden.

Im Untersuchungsausschuss tritt auch die Abteilungsleiterin Ina Ölscher-Dütz auf, die unter anderem für das Beamtenrecht-Referat zuständig ist. Sie betont, dass die anfänglichen Einwände des Finanzministeriums gegen Versuche der Staatskanzlei, eine Höherstufung der Büroleiterin zu erreichen, „auch heute noch gelten“. Nur nach der Änderung der Vorgaben für AT-Verträge trage man die höhere Bezahlung mit. Hier ist sich die Abteilungsleiterin Ölscher-Dütz einig mit der Referatsleiterin Corinna Kuhny. Beide hatten lange gegengehalten gegen Forderungen, wie sie aus der Staatskanzlei vehement an das Finanzressort herangetragen wurden.

  • Ausschuss beginnt mit Zwist: Der erste Tag des Büroleiter-Untersuchungsausschusses war von heftigem Ringen zwischen Rot-Grün und der CDU überschattet. Die CDU beklagt, dass die von der Landesregierung überstellten Akten unvollständig seien. Der Mail-Verkehr zwischen dem Finanzminister und seiner Staatssekretärin wurde dem Ausschuss bisher nicht überstellt – offenbar, weil die Staatskanzlei das nicht für notwendig erachtete. Streit gibt es auch um die Frage, ob Regierungssprecherin Anke Pörksen als Beauftragte der Landesregierung für den Ausschuss benannt werden darf – da sie doch auf der Liste möglicher Zeugen steht. SPD und Grüne hingegen wollen den Ausschuss nun mit vielen Terminen in kurzer Zeit überfrachten und regelmäßig auch freitags tagen. Das widerstrebt der CDU, die sich lieber mehr Zeit lassen möchte.
Dieser Artikel erschien am 3.5.2024 in Ausgabe #082.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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