4. Sept. 2017 · 
Umwelt

Harzwasserwerke betonen: Wir können der Wasserspeicher Niedersachsens sein

Wie soll man darauf reagieren, dass immer öfter Starkregen fällt und Hochwasser zu beklagen ist – wie zuletzt im Juli? Im Umweltausschuss des Landtags wurden zu dieser Frage gestern Experten angehört. Der technische Leiter der Harzwasserwerke (HWW), Christoph Donner, trat mit einem überraschenden Vorschlag auf: Es sei möglich, meinte er, den Harz zu einem „Wasserspeicher für große Teile Niedersachsens“ auszubauen. Die HWW-Wasserpipeline, die derzeit bis nach Bremen führe, könne dafür ein Ansatzpunkt sein. Außerdem müsse man prüfen, inwieweit Bergwerksstollen als Wasserspeicher genutzt werden können und ob vorhandene Talsperren um drei Meter erhöht werden sollen, damit sie mehr Regen aufnehmen können. Man müsse über die Stromerzeugung mit Wasser nachdenken und auch erwägen, womöglich eine weitere Talsperre zu bauen. „Der Gedanke an eine Sieber-Talsperre ist auch deshalb bisher nicht verfolgt worden, weil dort ein Konflikt mit dem Naturschutz gelöst werden müsste“, sagte Donner. Man könne aber diskutieren, inwieweit bestimmte Gebiete als Wasserspeicher genutzt werden können, wenn dafür im Gegenzug andere stärker für den Naturschutz reserviert bleiben. Nach Donners Worten ist jetzt „Zeit für eine Anpassung an den Klimawandel“, alle Akteure müssten zusammenkommen – und es sollten die Zuständigkeiten für diese Aufgabe stärker gebündelt werden. Die Forderung nach einer wesentlichen Verstärkung des Hochwasserschutzes ist in einem Entschließungsantrag der CDU-Landtagsfraktion erwähnt, der am 8. August vorgelegt worden ist. Der Leiter der Harzwasserwerke appellierte an die Landesregierung, den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz (NLWKN) mit mehr Geld für gute Prognosen auszustatten: „Mit den vorhandenen Ressourcen kommen die für ihre Hochwasservorhersagen nicht weiter“, betonte er. Ein Grund dafür, dass das Juli-Hochwasser im Harz und Harzvorland nicht noch schlimmere Schäden verursacht habe, liege in der Tatsache begründet, dass die Talsperren im Harz relativ leer waren und viel Wasser aufnehmen konnten.Selbst wenn sie voller gewesen wären, hätte man „mit den vorhandenen Plänen das Problem auch bewältigt“, sagte Donner auf eine Frage von Regina Asendorf (Grüne). Allerdings nehme das Problem von Starkregen zu, Hochwassersituationen von einem Ausmaß dieses Jahres habe es zuletzt 2007 und 2013 gegeben. Der Vizepräsident des Wasserverbandstages, August Lustfeld, appellierte an die Landespolitiker, eine Koordinationsstelle für den Hochwasserschutz aufzubauen. Soetwas fehle bisher, außerdem müsse es mehr Regenrückhaltebecken entlang von Flüssen und Bächen geben. Viele Flüsse seien zu breit angelegt, man könne sie ökologischer gestalten und auch verengen, ohne dass sie ihre Funktion, das Wasser aufzunehmen, verlieren müssten. „Der Abfluss muss weiter gewährleistet werden“, erklärte er auf Nachfragen von Marcus Bosse (SPD) und Frank Oesterhelweg (CDU).Hartmut Schlepps vom Landvolkverband beklagte „Fehlplanungen“ in einigen Gemeinden, in denen die Rückhaltebecken entlang von Flussläufen viel zu knapp bemessen seien. Für das Versickern des Wassers brauche es mehr Fläche. 600 Anträge von Landwirten und anderen Privatleuten, die vom jüngsten Hochwasser betroffen waren, lägen in der Landwirtschaftskammer zur Prüfung und Entscheidung vor. Der Bürgermeister von Schladen-Werla (Kreis Wolfenbüttel), Andreas Memmert, richtete mehrere dringende Empfehlungen an das Land: Erstens sei eine zentrale Sandsackreserve nötig, denn er habe auf verschlungenen Wegen 21.000 Säcke organisieren müssen, als plötzlich die Altstadt von Hornburg von der Flut bedroht gewesen sei. Bitter nötig sei das vor Jahren versprochene, immer noch nicht eingehaltene Flussgebietsmanagement – das Land müsse festlegen, welche Gebiete für die Überschwemmung vorgesehen werden, denn dies sei keine kommunale Aufgabe.„Die Flüsse müssen wieder mehr Platz finden, und bei uns im Ort haben wir ein Konzept entwickelt. Der NLWKN müsste hier tätig werden – aber er tut es nicht.“ Auch „deutlich mehr Messpegel“ in den Flüssen seien nötig, damit man früher über drohendes Hochwasser informiert werde. „Hier hat Niedersachsen einen Nachholbedarf“, sagt Memmert. Er beklagt zudem die fehlende Abstimmung mit dem Nachbarland Sachsen-Anhalt. Dort würden entlang von Flüssen Umgestaltungen zum Hochwasserschutz geplant, die große Auswirkungen haben, aber über die man in Niedersachsen nicht frühzeitig informiert werde.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #153.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail