Die niedersächsische SPD muss eine herbe Niederlage einstecken. Einen Tag, nachdem Innenminister Boris Pistorius bei der Wahl zum SPD-Chef nur den vorletzten Platz unter den sechs Teams erreicht hatte und damit gescheitert war, geht auch das Rathaus in Hannover für die Sozialdemokratie verloren. Seit 73 Jahren hatten SPD-Politiker das Sagen an der Spitze der Stadt, sowohl als Oberbürgermeister als auch als Chefs der Verwaltung in den bis 1996 bestehenden Ämtern der Oberstadtdirektoren. Diese Ära endet jetzt bitter.

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An diesem Sonntag verpasste Marc Hansmann (49), SPD-Kandidat für das Oberbürgermeisteramt, den Einzug in die Stichwahl. Wenn am 10. November ein neuer Oberbürgermeister gewählt wird, stehen sich der CDU-Kandidat Eckhard Scholz (56) und der Grünen-Bewerber Belit Onay (38) gegenüber. Onay und Scholz kamen auf jeweils 32,2 Prozent. Hansmann erreichte, wie schon vor einer Woche in einer „Forsa“-Umfrage vorhergesagt wurde, nur Rang drei – abgeschlagen mit 23,5 Prozent.

Totenstille im Saal der SPD

Das ist für die Sozialdemokraten eine Katastrophe. Viele Beobachter gehen nun davon aus, dass die meisten SPD-Anhänger am 10. November für die Grünen stimmen werden und Onay neuer Oberbürgermeister der Landeshauptstadt wird  – der erste Nicht-Sozialdemokrat in dieser Position seit Gründung des Landes Niedersachsen vor 73 Jahren.

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Die Niederlage von Hansmann wirkte am Sonntagabend bei den Sozialdemokraten in Hannover wie ein Schock auf die Anhänger. Im Rathaus verfolgte eine kleine Gruppe von SPD-Getreuen die Auszählung, es herrschte Totenstille, viele schauten beschämt auf ihre Handys. Gegenüber, bei den Grünen, herrschte regelrechte Feierstimmung. „Belit, Belit“-Rufe wurden angestimmt.

Jubel bei den Grünen im hannöverschen Rathaus – Foto: MB.

Bei der CDU hingegen wurden die Resultate eher leise, aufgenommen, viele Anhänger wirkten allerdings gelassen. Nachdem die „Forsa“-Umfrage schon gezeigt hatte, wie eng das Rennen der drei stärksten Kandidaten werden würde, hatten viele SPD-Politiker auf einen Schub-Effekt in den letzten Tagen gehofft. Die Partei bot noch einmal alle ihre Kräfte auf und stellte noch einmal zusätzliche Plakate auf mit dem Slogan „Sonntag. Hansmann. Wählen.“

Hansmann „enttäuscht und traurig“

Doch die erhoffte Mobilisierung in der letzten Phase kam nicht im erhofften Umfang zustande. Hansmann, der Vorstand der Stadtwerke ist und über viele Jahre als Finanzdezernent im Rathaus gearbeitet hat, wurde offenbar mit den Zuständen, die zur OB-Wahl führten, in Verbindung gebracht. Auslöser für die vorgezogene Oberbürgermeisterwahl war der Amtsverzicht des bisherigen Stadtoberhaupts Stefan Schostok (SPD) nach sechs Jahren Tätigkeit als Chef der Rathausverwaltung. Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte Ende April  entschieden, ihn wegen „schwerer Untreue“ anzuklagen. Das Landgericht hat den Prozess allerdings noch nicht eröffnet.

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Schostok steht im Verdacht, von der Unrechtmäßigkeit der Zulagenzahlung an seinen Büroleiter Frank Herbert gewusst zu haben und nicht dagegen eingeschritten zu sein. Das Beamtenrecht lässt eine solche Zulage nicht zu, über Jahre erhielt Herbert somit illegal 50.000 Euro überwiesen, die er jetzt zurückzahlen muss. Diese „Rathausaffäre“ gipfelte in einer beispiellosen Entscheidungsschwäche von Schostok. Erst die Anklage der Staatsanwaltschaft brachte ihn dazu, Konsequenzen zu ziehen. Das Schuldeingeständnis lässt immer noch auf sich warten, womit sich der Eindruck von „SPD-Filz“, gepaart mit Uneinsichtigkeit, verfestigte.

Noch andere Kennzeichen der Schostok-Ära lasteten auf den Sozialdemokraten: Die Weigerung von Schostok, die CDU als zweitstärkste Gruppe bei den Dezernenten zu berücksichtigen – und der Schritt, mit Einführung einer Gender-Sprache die Verwaltungs- von der gebräuchlichen deutschen Sprache abzukoppeln.

Eckhard Scholz bei der Wahlparty der CDU – Foto: MB.

Hansmann sagte, für ihn sei das Resultat „enttäuschend und traurig“, zumal vor 100 Jahren mit Robert Leinert der erste SPD-Politiker OB von Hannover wurde. Diese Phase ende jetzt. Dass der SPD-Bewerber jetzt 100 Jahre später die Stichwahl verfehlte, ist der zweite Tiefschlag für die niedersächsische SPD an diesem Wochenende.

Erst am Sonnabend hatte es eine erste herbe Niederlage für den Landesverband gegeben. Der von der niedersächsischen SPD nominierte und zumindest verbal enorm unterstützte Kandidat für den Parteivorsitz, Innenminister Boris Pistorius, landete bei der Abstimmung unter den sechs Teams nur den vorletzten Platz. Auch wenn die Abstände nur knapp waren, ist dieses Resultat doch auch eine Niederlage für die sonst so stolze Niedersachsen-SPD, die vor zwei Jahren bei der Landtagswahl noch stärkste Partei werden konnte. In der SPD hatte es allerdings auch Stimmen gegeben, die meinten, Pistorius sei eben nicht geschlossen von der Landespartei in diesem parteiinternen Wahlkampf unterstützt worden.

So sei die Zustimmung aus Teilen des mitgliederstarken Bezirks Hannover nur halbherzig gewesen. Andere meinen, Pistorius sei ja auch vorgeprescht und habe mit seiner Bereitschaft zur Kandidatur die Landes-SPD quasi in Zugzwang gesetzt.