Der Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung, Kai Hudetz, warnt davor, dass die deutsche Wirtschaft bei der Digitalisierung den Anschluss verpassen könnte. „Der aktuelle Erfolg der deutschen Wirtschaft birgt eine große Gefahr. Wenn ich erfolgreich bin, dann habe ich keinen Leidensdruck. Ich setzte erst einmal weiter auf das, was gut funktioniert“, sagte Hudetz dem Politikjournal Rundblick am Rande einer Veranstaltung des Großhandels- und Dienstleistungsverbandes Braunschweig (GDV). Viele Unternehmen können sich Hudetz zufolge derzeit auf ihren Exporterfolgen ausruhen. Gerade dieser Erfolg könne verhindern, dass man rechtzeitig die richtigen Schritte geht.

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Die deutschen Unternehmen seien in Bezug auf die Digitalisierung nicht besonders innovativ, konstatiert der Wissenschaftler. „Die großen Veränderungen kommen nahezu ausschließlich aus den USA. Bei neuen Startups passiert viel in den USA, in China und in Israel, aber vergleichsweise wenig in Deutschland“, so Hudetz. Seiner Meinung nach wird in Deutschland zu stark auf die alten Industrien gesetzt. Es sei aber vorhersehbar, dass auf die Unternehmen in hohem Tempo gravierende Veränderungen zukämen. Manche Branchen stünden vor einer Evolution, andere vor einer Revolution. Für das Handwerk prognostiziert Hudetz einen gemäßigteren Prozess. „Der Friseur schneidet die Haare auch in Zukunft nicht digital. Er wird vielleicht online einen Termin vereinbaren.“ Eine Revolution sei dagegen im Taxigewerbe zu erwarten. Als Beispiel nennt er den Fahrdienst Uber oder auch auch das selbstfahrende Auto der Zukunft.

GDV-Vorstandschef Hanns-Heinrich Kehr, Rundblick-Chefredakteur Martin Brüning, IFH-Geschäftsführer Kai Hudetz und GDV-Hauptgeschäftsführer Florian Bernschneider  (v.l.n.r.)  – Foto: GDV

Laut Hudetz werden in Zukunft auch immer stärker die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen von der Digitalisierung betroffen sein. Unternehmer seien schließlich selbst Konsumenten. „Der Unternehmer geht mit den Erwartungen, die er als Endkunde hat, auch in die Geschäftsbeziehungen.“ Und die Endkunden setzen nach wie vor verstärkt auf den Onlinehandel. Der Umsatz wachse in diesem Bereich immer noch zweistellig. Im Jahr 2010 wurden knapp 24 Milliarden Euro im Onlinehandel umgesetzt, im vergangenen Jahr waren es schon mehr als 52 Milliarden. Zugleich wächst die Zahl der Online-Käufer. Im Jahr 2012 gingen noch 52 Prozent der Bevölkerung lieber in Geschäfte und kauften nur ungern im Internet ein. Dies geben in diesem Jahr nur noch 24 Prozent. Hudetz geht davon aus, dass die Zahl allein schon demographisch bedingt weiter sinken wird.

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Trotz der Digitalisierung ist Hudetz optimistisch, was die Arbeitsplätze angeht. Bisher seien mehr neue Jobprofile hinzugekommen als weggefallen. „Das bedeutet nicht automatisch, dass die Anzahl der Stellen erhalten wird. Es kommen aber viele neue Jobprofile hinzu“, so der Experte. Der Faktor Menschen werde im digitalen Zeitalter sogar noch wichtiger. Gerade Service kann den Unterschied ausmachen. Durch die Transparenz der Preise werde der Service zu einem elementaren Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb.