3. Apr. 2025 · 
Kommentar

Halbzeitbilanz: So schlägt sich die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen

Nun ist es etwa zweieinhalb Jahre her, dass die rot-grüne Koalition in Niedersachsen ihre Arbeit begonnen hat. Noch einmal genauso viel Zeit wird vergehen, bis regulär die nächsten Landtagswahlen sind. Seit wenigen Tagen ist klar: Die zweite Runde vollzieht sich unter neuer Führung, vermutlich mit einem neuen Ministerpräsidenten Olaf Lies, der auch ein neues Kabinett präsentieren wird. Unabhängig davon ist nun Gelegenheit, zur Halbzeit eine Zwischenbilanz zu ziehen. Wie hat Rot-Grün seit Herbst 2022 agiert? Es fällt auf, dass die Gesetzgebung äußerst sparsam war, die Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen bevorzugten es, unverbindliche "Entschließungsanträge" im Landtag beschließen zu lassen. Die weit schwierigere Frage, mit konkreten Gesetzen die Geschicke des Landes gestalten zu wollen, wurde häufig ausgeklammert – oder vertagt. Damit erscheint die Koalition zur Halbzeit als nicht sonderlich reformfreudig, sondern eher als zögernd. Die meisten Impulse wurden noch durch das Geldausgeben gesetzt – etwa den Schritt, alle Lehrkräfte mit mindestens A13 zu bezahlen. Dafür lassen sich SPD und Grüne gern feiern. Wir blicken nun auch auf die Akteure in der Regierung – und bewerten kurz ihr Wirken.

Stephan Weil | Foto: Staatskanzlei/Rainer Jensen
  • Stephan Weil: Selbstbewusst und beliebt, aber auch amtsmüde Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ließ sich von nichts aus der Ruhe bringen und strahlte diese Gelassenheit auch aus. Manchmal wirkte sein nachdenkliches und von der eigenen Haltung überzeugtes Auftreten aber auch etwas überheblich. Gern tritt Weil nach außen mit klaren Positionen auf, etwa seinem Ziel, die Bürokratie nach dem Motto „einfacher, schneller, günstiger“ zu entschlacken. Allein die Ergebnisse zeigen einen auffälligen Kontrast zu den Ankündigungen, denn in den vergangenen zwölf Jahren ist hier nur ganz wenig geschehen - oft wurden ehrgeizige Ansätze von der Regierungsspitze sogar gezielt unterbunden, um Konflikte zu vermeiden. Wie sich überhaupt der Eindruck aufdrängt, dass Weil in den letzten Monaten seiner Amtszeit eher auf Konsolidierung als auf Verbesserung und Veränderung ausgerichtet war. Er blieb sich damit wohl treu als behutsamer, umsichtiger, stets gut informierter und in Krisensituationen eingriffsbereiter Sachwalter des Landes. Ein Um- oder Neugestalter will er nicht sein, auch in der Schlussphase des Schaffens nicht. Der Untersuchungsausschuss zur Büroleiter-Affäre hat zudem Spuren hinterlassen. Zuweilen reagierten Weil und sein engeres Umfeld in der Staatskanzlei so, als wären sie vom Klein-Klein der landespolitischen Diskussionen eher genervt.
Julia Willie Hamburg | Foto: Brauers
  • Julia Willie Hamburg: Tausend Schritte, aber kaum Bewegung – Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) startete mit einer selbstentlastenden Feststellung ins Amt: Den Lehrermangel wird sie in dieser Legislatur mit Sicherheit nicht beseitigen können. Untätig blieb sie deshalb trotzdem nicht und initiierte ihre „Politik der tausend Schritte“. Mit zahlreichen Einzelmaßnahmen und einem Dialogprozess soll die Unterrichtsversorgung schrittweise verbessert werden, ohne dass ein einzelnes Instrument dabei besonders herausstechen müsste. Die Zwischenbilanz zeigt jedoch Stagnation. Die Reform der Lehrerausbildung fällt derweil erst einmal aus, denn sie wäre sehr teuer. Hamburgs Herzensthema dieser Legislaturperiode ist der sogenannte Freiräume-Prozess: Schulen sollen wieder mehr Raum für Pädagogik bekommen und weniger Vorgaben. Was fehlt, sind allerdings die pädagogischen Mitarbeiter für all das, was nicht Unterricht ist. Die Neufassung des Erlasses zum Umgang mit Gewalt an Schulen zieht sich in die Länge. Ebenso der Erlass zur Berufsorientierung. Viel Lob gab es derweil für die geplante Reform der Oberstufe, die Novelle des Schulgesetzes steht noch aus. Und die Kindergärten? Etwas mehr Flexibilität hat es gegeben. Doch der nötige Abbau von Vorgaben und Mindestvoraussetzungen, der den Betreuungsmangel wirksam beseitigen würde, könnte viel kraftvoller ausfallen.
Daniela Behrens | Foto: MI/Ole Spata
  • Daniela Behrens: Harte Kante und Ärger mit den Grünen – Innenministerin Daniela Behrens (SPD) pflegt in ihrem neuen Amt das Image der resoluten Macherin, die sich in zentralen Fragen nichts sagen lässt und Dinge schon mal gar nicht „so wie immer“ machen will. Der starke Staat zeigt in Gestalt dieser Ministerin auch keine Scheu vor Institutionen wie dem Deutschen Fußballbund oder den Kirchen. Wenn die Krawalle überhandnehmen, lässt Behrens eben auch schon mal die Fans im Stadion verbieten – was viele Beobachter als „zu hart“ beurteilten. In ihrem Umfeld wird zuweilen Kritik laut, dass die Ministerin manchmal bei einigen Schritten zu verbissen wirke und übertreibe. Wenn ein Asylbewerber in einer Kirche Unterschlupf sucht, obwohl er nur nach Spanien abgeschoben werden soll, dann pfeift die Ministerin auch auf die links-grüne Kritik der Kleriker und des Koalitionspartners. Die Abgrenzung nach rechts fällt der Ministerin derweil gar nicht schwer. Wird sie nach einem vermeintlichen migrantischen Hintergrund von mutmaßlichen Straftätern gefragt, wittert Behrens rasch Rassismus und betont, dass eine solche Information erstens nichts aussage und zweitens nicht weiterhelfe. Das in der Öffentlichkeit sehr machtbewusste, manchmal schroffe Auftreten der Sozialdemokratin passt indes wenig zur Leistungsbilanz, die nicht berauschend ist. Die angekündigten Verschärfungen von Polizei- und Verfassungsschutzgesetz stecken noch in der rot-grünen Koalitionsmühle fest. Die dringende Bitte, die Fußfessel bei häuslicher Gewalt schon mal vorab gesetzlich zu regeln, blieb von ihr ungehört – auch zum Ärger der Grünen. Vorreiterin bei der Digitalisierung der Landesverwaltung ist Behrens nicht wirklich - obwohl das Innenministerium hier eine Gelegenheit zur Profilierung hätte. Und die Kommunalreform mit der längeren Amtszeit der Bürgermeister ist zwar gekommen, aber viel, viel später als geplant. Immerhin: Sie gilt als eine Ministerin, mit der man reden und auch streiten kann, die also das Feld der Kommunikation gut beherrscht.
Gerald Heere | Foto: Brauers
  • Gerald Heere: Ein Gefangener der strengen Regeln Eigentlich möchte Gerald Heere, der Finanzminister, mit neuen Ideen vorpreschen. Er möchte neue Konstruktionen von Landesgesellschaften gründen und etablieren, über die dann lange vernachlässigte Investitionen in die Infrastruktur in Gang gebracht werden könnten. Das Problem ist nur: Die Basis für die Art und Weise, in der Heere gern Politik gestalten möchte, ist nicht vorhanden. Der von ihm angekündigte „Investitionsfonds“ scheitert an strengen rechtlichen Grenzen, da Untergesellschaften des Landes die Schuldenbremse nicht umgehen dürfen. Demnächst, nach den Reformen im Grundgesetz, dürfte das einfacher werden. Die Fachebene seines Ministeriums ist allerdings sehr streng, und man spürt zuweilen, dass Heere gern darüber hinausgehen möchte. Doch das will ihm nicht recht gelingen, kann es auch nicht. Vielleicht liegen manche seiner fehlenden Erfolge auch daran, dass sein Politikmodell des ruhigen und freundlichen Gesprächs über die Probleme nicht immer den gewünschten Effekt bringt, dass er manchmal härter und entschlossener auftreten müsste. So misslang sein Versuch, in Hannover mehrere Finanzämter in einem Gebäude zusammenzuführen und so ein Zeichen für die Verwaltungsreform zu setzen. Den Widerstand der Beschäftigtenvertretung wollte der Minister nicht brechen. Auch in der Büroleiter-Affäre, in der er Wünsche der Staatskanzlei umsetzen sollte, hat Heere nicht geglänzt. Den Konflikt mit dem Ministerpräsidenten wollte oder konnte er nicht eingehen.
Olaf Lies | Foto: Henning Scheffen
  • Olaf Lies: Warten an der Eingangstür der Macht Viele Leute vergleichen Olaf Lies, den Wirtschaftsminister, mit dem einstigen Bremer Bürgermeister Henning Scherf. Scherf war nicht durch großartige Reden bekannt geworden, auch nicht durch eine besonders geschickte, mutige oder aufsehenerregende Landespolitik. Die Stärke dieses hochgewachsenen SPD-Politikers war seine Herzlichkeit, seine Eignung als „wandelnder Vermittlungsausschuss“. Wo immer er auftrat, verbreitete er Empathie, die Bereitschaft zum Zuhören und zum Zusammenführen. Die scharfe Abgrenzung vom politischen Gegner, die in manchen Debatten sein muss und auch gepflegt wird, ging nie so tief, dass hinterher das Tischtuch zerschnitten gewesen wäre. Das alles gilt eben auch für Olaf Lies. Er hat in manchen Diskussionen, etwa über die E-Autos, den technologischen Wandel und die Herausforderungen der Industrie, sehr harte Positionen vertreten. Diese fielen wohl auch deshalb so vehement und deutlich aus, weil Lies als Ingenieur die Probleme auch von der technischen Seite her betrachtet. Daneben war es Lies wichtig und es ist ihm wichtig, die menschlichen Kontakte zu halten und Brücken zu bauen. Er umarmt die Leute – und auch die politischen Gegner. Das gilt für Gewerkschafter wie für Arbeitgeber. Diese offene, herzliche Art ist für ihn oft der erste Schritt, Kompromisse zu schmieden. In dieser Legislaturperiode fallen einige Krisen auf, in denen Lies als Manager gefragt war – bei der Meyer-Werft beispielsweise oder auch bei Volkswagen. Sein Meisterstück war die Reform der Niedersächsischen Bauordnung, die ein wichtiges (vielleicht auch das einzige klare) Zeichen der Landespolitik für erfolgreichen Abbau von Vorschriften ist. Über all die Jahre blieb er loyal zu Stephan Weil, das dürfte ihm jetzt den Aufstieg ins Ministerpräsidentenamt erleichtern.
Christian Meyer | Foto: MU
  • Christian Meyer: Viel Wind um Windkraft und Wolf – Umweltminister Christian Meyer (Grüne) ist unheimlich umtriebig, viel im Land unterwegs und hat deshalb auch schon eine ganze Menge mit eigenen Augen gesehen. Die Konzentration auf klare Kernbotschaften fällt ihm bei öffentlichen Auftritten deshalb zuweilen schwer – und das führt manchmal dazu, dass Initiativen in der Durchführung versanden. Das zeigte sich vor allem beim Thema Moorschutz, für den Meyer einige Zuständigkeiten aus dem Agrarressort zu sich herüberziehen konnte. Konkrete Maßnahmen sind derweil kaum zu beobachten. Der Moorschutz scheint im Behördensumpf festzustecken. Wind und Wolf sind hingegen wohl die wichtigsten Themen des Ministers – wobei er in beiden Punkten stark angefangen hat und dann hart ausgebremst wurde. Beim Windkraftausbau überzeugte er zunächst mit landkreisspezifischen Ausbauzielen und beschleunigten Genehmigungsverfahren. Doch der Zubau stockt in der Realität dennoch, weil die Industrie nicht hinterher kommt. Die "Taskforce Energiewende" habe an Schwung verloren, hört man. Beim Thema Wolf sind es ebenfalls externe Faktoren, die Meyer das komplizierte Feld noch komplizierter werden lassen. Mit den Nutztierhaltern gab es zwischendurch immer wieder Zoff: Erst fehlte das Geld für den Zaunbau, dann klappte es mit dem Schnellabschuss nicht so wie angekündigt. Vom aktiven Wolfsmanagement ist Niedersachsen immer noch weit entfernt. Aber immerhin gibt es jetzt mehr Geld für den Herdenschutz und eine Prämie für Schaf- und Ziegenhalter, die von denen gut angenommen wird.
Falko Mohrs | Foto: MWK/Moritz Kuestner
  • Falko Mohrs: Immer gut vorbereitet, aber ohne viel Fortune Falko Mohrs wirkt mit seinen 40 Jahren wie ein politischer Newcomer – agil, schlagfertig und stets gut vorbereitet bei öffentlichen Auftritten. Die Leistungsbilanz ist allerdings nicht großartig. Dass über die Volkswagenstiftung viel Geld verteilt werden konnte, ist nicht sein Verdienst, sondern es ist den Umständen bei den großen Playern der Wirtschaft zu verdanken. Die Reform des Hochschulgesetzes lässt auf sich warten – während in einigen Universitäten, so auch in der altehrwürdigen in Göttingen, das Scheitern der jeweiligen Präsidenten zeigt, wie fragil und wenig zukunftsgerichtet die Selbstverwaltung der Universitäten sein kann. Das Ministerium ist meistens dazu verurteilt, den Prozess staunend zu beobachten, einige Beobachter vermissen an der politischen Spitze ausreichend Kreativität. Im Fall der Musikhochschule in Hannover gibt es Hinweise auf ein wenig diplomatisches Vorgehen. Ob ein Minister, der stärker in den Hochschulen vernetzt wäre, mehr erreichen könnte? Eine unerledigte Baustelle ist auch der Sanierungsstau in den Universitäten und Hochschulen, der auf mehr als vier Milliarden Euro geschätzt wird. Eine Lösung dafür hat die Landesregierung noch nicht – auch wegen der Schuldenbremse und auch wegen der rechtlichen Probleme, die ein von Rot-Grün gewünschter „Investitionsfonds“ bereitet.
Wiebke Osigus | Foto: MB
  • Wiebke Osigus: Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit – Europa- und Regionalministerin Wiebke Osigus (SPD) hat es nicht leicht an der Spitze eines Ministeriums, das nicht wenige für vollkommen überflüssig halten. Die Ministerin gibt vor, dass sie sich an diese Rolle, die sie eigentlich nie haben wollte, inzwischen gewöhnt habe. Aber ist das wirklich so? Weil Osigus keine großen Wellen machen kann, hat sie für sich erkannt: Wenn man nichts von ihr höre, dann mache sie wohl alles richtig. Aber die Aufgabe der reibungslosen Erledigung von Verwaltungsvorgängen will nicht recht gelingen. Die Verteilung von EU-Fördermitteln in den Regionen kommt nicht richtig voran. Weil es zu kompliziert geregelt ist? Weil die Verfahren zu langwierig sind? Weil die Kommunen zu wenig Geld für die Gegenfinanzierung haben? Oder weil die N-Bank nicht schnell genug agiert? Verantwortlich ist in jedem Fall Osigus, die koordinieren müsste und hier offenbar an Grenzen stößt. Ihr erster politischer Aufschlag, der die Geräusche reduzieren sollte, war die sogenannte „Projektmanufaktur“ – eine staatliche Stelle, die Kommunen beim Beantragen von Fördergeldern helfen soll. Steuerzahlerbund und Opposition spotteten: Erst züchtet man ein Förderdickicht, dann stellt man selbst den Gärtner ein. Jüngst erhielt Osigus‘ Haus noch eine neue Aufgabe und darf jetzt die Förderprogramme aller Ressorts abwickeln. Ein Rettungsversuch für das im Abseits befindliche Ministerium? Im Zuge des Europawahlkampfs 2024 fiel das Ministerium kaum auf: Es gab ein paar Diskussionsveranstaltungen im Land und ein kleines Comic-Heftchen, das Europa feiern sollte. Mehr nicht. Viel spricht dafür, dass Osigus' Zeit im Kabinett bald endet.
Andreas Philippi | Foto: MI/Sascia Philippi
  • Andreas Philippi: Vom Seiteneinsteiger zum Gesundheitsapostel Als zu Jahresbeginn 2023 ein neuer Sozialminister engagiert werden musste, kam Andreas Philippi quasi wie die Jungfrau zum Kinde. Er hatte in der Folgezeit erkennbare Probleme, sich in die Materie einzuarbeiten. Dann folgten aber gerade im Jahr 2024 sehr lange und intensive Gespräche zwischen Bund und Ländern über die von Karl Lauterbach angeschobene Gesundheitsreform. Bald zeigte sich als großer Vorteil, dass Philippi als jemand, der lange als Krankenhausarzt gearbeitet hat, sich in jeder Verästelung des komplizierten Gebildes gut auskannte. Im Kreis der Länder-Sozialminister war er in dieser Phase einer der Stärkeren – und das hat auch seine Stellung im Landeskabinett gefestigt. Bei den Themen Arbeitsmarkt, Gleichstellung, Migration und Integration ist er nicht der versierteste Politiker, doch wegen der Dominanz des Gesundheitsthemas fiel das weniger auf. Etwas holprig war der Versuch einer Reorganisation des Ministeriums, der die Eigenständigkeit der Abteilung für Gleichstellung gefährdet hätte. Es gab einen Aufschrei von frauenpolitischen Organisationen – und am Ende einen Erfolg für Philippi. Er musste die Sparpläne, die ihm erst auferlegt worden waren, nicht mehr umsetzen. Die auf Druck der Staatskanzlei zunächst geplante Kürzung einer Abteilung fiel aus.
Miriam Staudte | Foto: Brauers
  • Miriam Staudte: Trickreich für mehr Tierwohl – Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) hat sich vor allem das Thema Tierwohl auf die Fahnen geschrieben und kämpft dafür gleich an mehreren Fronten. Vergeblich versuchte sie, lange Lebendtiertransporte in unsichere Drittstaaten zu verbieten. Gerichte kippten ihre Verordnung, woraufhin sie ihren Einsatz in Richtung Berlin verlagerte. So merkte Staudte schnell, gegen welche Widerstände auch ihre Vorgängerin hatte kämpfen müssen. Die wichtigste Unterstützerin der Ministerin in diesem Kampf ist die neue Landestierschutzbeauftragte. Ihr geht es nicht um Rinder und Schweine allein, auch Tauben und Katzen stehen jetzt unter dem besonderen Schutz des Agrarressorts. Landespolitisch versucht Staudte, die Tierhaltungsbedingungen durch einen Rückgang der Tierzahlen zu verbessern. Mit dem „Zukunftsprogramm Diversifizierung“ sollen Landwirte beim Aufbau eines alternativen Standbeins unterstützt werden. Trickreich hat das Agrarministerium zu Beginn der Legislaturperiode den Wunsch der Ministerin rasch in bestehende Förderinstrumente hineinprogrammiert. Die eigentliche Förderrichtlinie ließ 2024 derweil lange auf sich warten, kam dann aber doch noch kurz vor Antragsschluss. Die Opposition hält Staudte vor, sich zu sehr um die Sonderfälle und zu wenig um die klassische Landwirtschaft zu kümmern. Der Schulterschluss mit der Landwirtschaft gelang der gesamten Landesregierung Anfang 2024, als die Bauernproteste gegen das Agrardiesel-Aus der Bundesregierung ihren Höhepunkt erreichten. Heftigen Gegenwind erfuhr die Ministerin unterdessen ein Jahr später, als rund 20.000 Jäger vor dem Landtag gegen die geplante Novelle des Landesjagdgesetzes demonstrierten. Auch hier war es der SPD-Teil der Landesregierung, der die Aufgebrachten eher ansprach als die Ministerin selbst. In ihrem Ministerium gab es einige Merkwürdigkeiten bei Stellenbesetzungen, die nicht ganz einwandfrei gelaufen waren.
Kathrin Wahlmann | Foto: MJ
  • Kathrin Wahlmann: Vehementer Widerspruch, aber wenige Akzente – Justizministerin Kathrin Wahlmann fiel zunächst durch Widerspruch auf. Die promovierte Juristin und frühere Richterin positionierte sich in der bundespolitischen Debatte rund um das Selbstbestimmungsgesetz ausgesprochen kritisch. Insbesondere die Möglichkeit, dass die neuen gesetzlichen Möglichkeiten in betrügerischer Absicht angewendet werden könnten, veranlasste die Ministerin zur Mahnung. Biologische Männer im Frauengefängnis? Besser nicht. Auch beim Cannabis-Gesetz warnte die Landesministerin energisch vor einer Überforderung der Justiz und infolgedessen rechtswidrigen Zuständen im Land. Diese defensive Politik unterstreicht den konservativen Anstrich der Sozialdemokratin. Erfolgreich war sie damit allerdings nicht immer. Das gilt auch für die eigenen Akzente, die sie bundespolitisch setzen wollte. Den Vorsitz der Justizministerkonferenz wollte die niedersächsische Landesministerin dafür nutzen, eine umfassende Reform des Strafrahmens anzustoßen. Doch der Vorstoß versandete einstweilen. Deutlicher war das Scheitern noch beim Ansinnen der rot-grünen Landesregierung, das sogenannte „Cat-Calling“ strafrechtlich sanktionieren zu lassen. Im Bundesrat fand Niedersachsens Initiative vorerst keine Mehrheit. Im Landtag werden Stimmen lauter, die auf Mängel in der Staatsanwaltschaft Hannover hinweisen – und auf Versäumnisse des Ministeriums. Bisher prallte solche Kritik an der Ministerin noch regelmäßig ab.
Dieser Artikel erschien am 4.4.2025 in Ausgabe #065.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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