Der Geschäftsführer des Landkreistages (NLT), Joachim Schwind, schlägt einen weitreichenden Schritt zur Bekämpfung der Geflügelpest vor: Damit die davon besonders betroffenen Betriebe frühzeitig und problemlos umsteuern können, sollten Bundestag und Bundesrat das Baugesetzbuch ergänzen – um einen Passus, der unproblematisch den Wechsel der Haltungsform ermöglicht. Schwind, ein Verwaltungsjurist, hat dazu einen längeren Aufsatz im neuesten Heft der Niedersächsischen Verwaltungsblätter veröffentlicht.

In dieser Darstellung macht er deutlich, dass die Geflügelpest wohl kein vorübergehendes Phänomen ist, sondern dauerhaft damit gerechnet werden müsse. Die Abkehr davon müsse in einem langfristigen und gründlichen Umbau der Tierhaltungsformen liegen. Sein Vorschlag zur Ergänzung des Baugesetzbuches ist aber – wie er betont – nur ein kurzfristiger Schritt, der Härten sowohl für die betroffenen Landwirte wie auch für die Nutztiere mindern soll. Was die langfristige Perspektive angeht, verhehlt Schwind auch einen gewissen Pessimismus nicht: Anders als von vielen erhofft habe die neue Ampel-Koalition in Berlin nur allgemeine Absichtserklärungen verfasst, was die Umgestaltung der Massentierhaltung und die dafür nötige Finanzierung angeht.
Zunächst beschreibt Schwind die Ausgangslage sehr drastisch: Der Geflügelpest-Seuchenzug 2021 und 2022 habe im vergangenen November mit Infektionen in Enten- und Putenbeständen im Landkreis Cloppenburg begonnen. Bis Jahresende 2021 habe es schon 21 Ausbrüche gegeben, sodass bereits 230.000 Tiere, davon 103.000 Puten, hätten getötet werden müssen. Der Seuchenzug im Jahr zuvor, also 2020 und 2021, habe 71 Ausbrüche in Niedersachsen gehabt – und Kosten für die Landkreise, dort vor allem die Tierseuchenkassen, von 23 Millionen Euro verursacht. Für alle Geflügelpest-Fälle im Land seit 2008 nennt Schwind nun Kosten von 58,1 Millionen Euro, davon entfalle der Löwenanteil von 52 Millionen Euro auf die Putenhaltung.
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Die Puten seien also offensichtlich besonders anfällig für das Virus. Noch eine andere Besonderheit erwähnt der NLT-Geschäftsführer: Von den 52 Millionen Euro, die für die Bekämpfung der Geflügelpest in Putenbetrieben ausgegeben wurden, seien allein 31,3 Millionen Euro auf nur zwei Gemeinden entfallen – die Gemeinden Garrel und Bösel im Kreis Cloppenburg. Das liege auch daran, dass dies zwei Hochburgen der Putenbetriebe sind. In Garrel lebten 6606 Puten je Quadratkilometer, in Bösel 3379 Puten, im Kreis Cloppenburg insgesamt sind es dann nur 1709 Puten, in Niedersachsen 128,7. Generell gebe es keine Sicherheiten zu den Übertragungswegen, wohl aber Wahrscheinlichkeiten. So ist die Übertragung über die Luft, die Aerosole, zu vermuten – und dabei sei der geringe Abstand zwischen den Ställen ein Problem. Das liegt auch daran, dass die Tiere nicht nur im Stall bleiben, sondern diese Ställe meistens offen gestaltet sind, die Tiere also auch in eingezäunte offene Bereiche gehen können.
Schwind meint nun, dass es ein „erhebliches gesamtgesellschaftliches und öffentliches Interesse“ an einer Umnutzung der Ställe gebe. Hier kämen nun vor allem Hähnchen in Betracht, zumal diese Tiere anders als die Puten in geschlossenen Ställen gehalten werden und deutlich weniger anfällig für die Geflügelpest seien. Nach dem geltenden Recht aber ist eine Umnutzung von Puten- auf Hähnchenmast „bau- und immissionsschutzrechtlich nicht einfach zu bewerkstelligen“. Die Anforderungen für neue Hähnchenställe seien sehr hoch, zu berücksichtigen ist dann die immissionsschutzrechtliche Belastungslage, die Futtergrundlage und die Notwendigkeit, moderne Abluftsysteme einzubauen.
Deshalb schlägt Schwind nun vor, eine Ausnahmevorschrift in das Baugesetzbuch aufzunehmen: Überall dort, wo die Zahl der Puten je Quadratkilometer die 2000 übersteigt, sollten Betriebsumstellungen zur Hähnchenmast von den örtlichen Baubehörden genehmigt werden können – denn sie sollten im rechtlichen Sinne dann „kein neues Vorhaben und keine Umstellung im bau- und immissionsschutzrechtlichen Sinne darstellen“. Schwind betont, er wolle also keine pauschale Regel für alle von Geflügelpest betroffene Gebiete, sondern lediglich eine besondere Norm für die Hotspots der Seuche.