Wie ist der Verwaltungsaufbau nach Wegfall der Bezirksregierungen im Jahr 2005 zu bewerten? Der Bochumer Verwaltungswissenschaftler Jörg Bogumil hat in einer neuen Untersuchung für das Land Niedersachsen einerseits scharfe Kritik an den bisherigen Regeln geübt, gleichzeitig rief er zu Reformen auf. Das 143 Seiten starke Gutachten, das dem Politikjournal Rundblick vorliegt, spricht unter anderem von einem „kaum durchschaubaren Zuständigkeitswirrwarr“.

Dies könne als Grund dafür angesehen werden, dass es 2014 bei der Explosion eines Tanklagers in Ritterhude (Kreis Osterholz) zu schweren Schäden kam. „Es besteht der hinreichende Verdacht, dass es bei der früheren Zuständigkeit durch die Bezirksregierung nicht zu dieser Katastrophe gekommen wäre“, schreibt Bogumil. Er rügt zunächst allgemein, dass nach der Auflösung der Bezirksregierungen viele Zuständigkeiten an unterschiedliche zentrale Stellen und Fachbehörden verteilt wurden, diese untereinander nicht angemessen Informationen austauschten und damit eine abgestimmte Kontrolle nicht mehr möglich sei. Konkret hätten in Ritterhude die dem Landkreis übergeordneten Behörden für Bauvorhaben, für wasserrechtliche Überwachungen, für die Erlaubnis brennbarer Flüssigkeiten, für Arbeits- und Immissionsschutz beim Umwelt- und Sozialministerium in Hannover, sowie beim Gewerbeaufsichtsamt in Cuxhaven gelegen. Vor 2005 seien alle diese Fragen in der Bezirksregierung in Lüneburg beraten und auch zusammengeführt worden. Man spüre nun aber „eine immer stärker gewordene Ressortorientierung“, die Koordination werde vernachlässigt und den strukturschwachen Regionen werde auf diese Weise nicht geholfen.

Dezentrale Kommunalaufsicht könnte sich „verselbständigen“

Bogumil hat die vier „Ämter für Regionalentwicklung“ (ÄfR) mit den Landesbeauftragten in Braunschweig, Oldenburg, Hildesheim und Lüneburg an der Spitze näher untersucht. Diese vier Behörden mit rund 600 Mitarbeitern wirken bei der Regionalentwicklung und Raumordnung mit, vor allem aber beraten sie Kommunen bei der Antragstellung für EU-Förderprogramme. Die vier Landesbeauftragten an der Spitze sollen „Kümmerer“ sein und zwischen Land und Kommunen vermitteln. Der Gutachter sieht das sehr positiv, empfiehlt allerdings eine stärkere Rolle der ÄfR bei Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren. 240 Stellen sollten dafür an diese Behörden verlagert werden. Sie könnten wegfallen etwa im Wirtschaftsministerium, das neue Verkehrswege plant (Landesbehörde für Straßenbau), im Umweltministerium beim Natur- und Hochwasserschutz und Deichbau (Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz), bei der Städtebauförderung, bei der Gewerbeaufsicht und beim Immissionsschutz, oder im Landwirtschaftsministerium bei der Agrarförderung (Landwirtschaftskammer). Die dem Wirtschaftsministerium unterstehende N-Bank sehe die ÄfR „offenbar als Konkurrenz“ an. Bogumil empfiehlt aber nicht, die Zuständigkeiten dort völlig abzuziehen – da die N-Bank mit ihrer Banklizenz einen großen Vorteil habe.

Der Gutachter hat auch die Frage untersucht, ob man den ÄfR noch etwas mehr geben könnte – nämlich die Kommunalaufsicht, die früher bei den Bezirksregierungen lag und jetzt im Innenministerium. Dies würde die Bedeutung dieser Behörden, auch gegenüber Städten und Kreisen, erheblich aufwerten. Doch Bogumil ist skeptisch, da sich eine dezentrale Kommunalaufsicht „verselbständigen“ könne wie früher in den Bezirksregierungen, als Weser-Ems einen sehr strengen, Braunschweig und Lüneburg einen sehr milden Ruf genossen hätten. In der Regionalplanung allerdings, die den Landkreisen obliegt und von den ÄfR nur teilweise beeinflusst wird, sollten die Ämter nach Einschätzung des Gutachters mehr zu sagen haben. In Niedersachsen sei diese Planung, die regionale Vorranggebiete für Nutzungen großflächig festlegt, nämlich sehr kleinteilig und von lokalen Interessen geprägt. Am Mittwoch will sich die zuständige Ministerin für Regionalentwicklung, Birgit Honé, zu Bogumils Empfehlungen und Anregungen äußern.