Das hat etwas damit zu tun, dass sich alle darauf verlassen können, dass die Grünen immer für Energie-, Agrar- und Verkehrswende kämpfen – egal, mit wem man gerade koaliert.
Im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick erklärte Al-Wazir, für die Grünen sei es immer gut, wenn sie ihre Positionen nicht von anderen abhängig machten. „Wir müssen sie aus uns selbst heraus entwickeln und dann aber nach einer Wahl die Offenheit haben, mit allen darüber zu reden, mit wem man am meisten davon umsetzen kann.“ So habe man es erfolgreich in Hessen umgesetzt. Die Eigenständigkeit sei auch eine wichtige Voraussetzung, um nicht als beliebig wahrgenommen zu werden. „Wir regieren in elf unterschiedlichen Landesregierungen in keiner Konstellation, die es nicht gibt. Das würden manche als Beliebigkeit wahrnehmen, dennoch werden wir aktuell stärker. Das hat etwas damit zu tun, dass sich alle darauf verlassen können, dass die Grünen immer für Energie-, Agrar- und Verkehrswende kämpfen – egal, mit wem man gerade koaliert“, so der hessische Wirtschaftsminister.
Das unterscheide die Grünen von der FDP in den 80er Jahren, die damals als Umfallerpartei wahrgenommen worden sei. Die hessische Koalition scheint am Ende nicht so schlimm zu sein, wie manche Grüne in Niedersachsen meinten. „Die CDU ist ganz anders als wir, aber das ist ja auch nicht schlimm. Parteien die koalierten, wollen ja nicht fusionieren und gehen eine Ehe auf Zeit ein.“ Bei den Wählern kam die Konstellation gut an, im vergangenen Jahr ging das Bündnis in die zweite Amtszeit.
https://www.youtube.com/watch?v=XQ57HrqfX3k&t=11s
Den Thüringer Grünen sei die Eigenständigkeit derweil offensichtlich etwas abhandengekommen. Al-Wazir meint, wenn man immer wieder betone, wie toll Bodo Ramelow sei, dann müsse man sich nicht wundern, wenn sich Wähler dafür entschieden, gleich Bodo Ramelow und nicht mehr die Grünen zu wählen. In den Umfragen kratzen Grünen in Thüringen gerade gefährlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Eine fehlende Eigenständigkeit sieht Al-Wazir auch bei der SPD als großes Problem. „Die Partei hat in ihrer Verunsicherung in der Sozialpolitik immer noch einen drauf gesetzt. Am Ende kann man aber die Wähler nicht kaufen“, meint der Politiker aus dem hessischen Offenbach. „Die Leute wollen wissen, welche Idee eine Partei hat und nicht nur, welche Forderungen welcher Gruppe sie erfüllt.“
Lesen Sie auch: Clever, kompromissbereit, links: Julia Hamburg soll Landtagsgrüne führen Pro & Contra zur Vorstandswahl bei den Grünen
Dem Realo-Flügel in Niedersachsen, der es im stark linkslastigen Landesverband nicht leicht hat, stärkte Al-Wazir den Rücken. Im Rundblick-Gespräch nannte er dabei die Bundespartei als Vorbild: Sie seien derzeit auch so stark, weil es eine Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlicher Positionen gibt. „In Niedersachsen war das immer sehr harsch getrennt. Wenn da etwas Neues entsteht, ist das gut.“ Auch der Koordinator des Realo-Flügels, Tjark Melchert, schaute bei der Veranstaltung auf die Bundes-Grünen. Dort sei man zum Beispiel beim Dialog zwischen Partei und Wirtschaft schon etwas weiter. „Da können wir uns in Niedersachsen eine Scheibe abschneiden. Hier sind wir sehr in unserer Komfortzone unterwegs und dabei sehr fokussiert auf die Ökothemen.“ Das Ziel müsse sein, die eigene Blase zu verlassen.
