Mathis Weselmann (35), Grünen-Funktionsträger aus Göttingen und hauptberuflich im Stadtverband der Grünen in Hannover tätig, hat überraschend seine politischen Ambitionen zurückgestuft. Seit Monaten galt es als sicher, dass der Theologe und Politikwissenschaftler für den Posten eines Vorsitzenden des Grünen-Landesverbandes antreten wird. Er wäre damit Herausforderer für Hans-Joachim Janßen (Friesland) geworden, der zusammen mit Anne Kura (Osnabrück) seit 2018 den Landesverband der Grünen führt. Doch wenige Wochen vor dem entscheidenden Landesparteitag am 18. Juni in Emden hat Weselmann seine Bewerbung jetzt zurückgezogen.
Er möchte, wie er über Facebook und Twitter mitteilte, nur noch Beisitzer im Landesvorstand werden. Mit seinem Rückzug erspart Weselmann den Grünen drei Monate vor der Bundestagswahl eine Zerreißprobe, denn er galt als ausgewiesener Vertreter des Realo-Lagers in der Partei, das sowohl im Landesvorstand als auch in der Landtagsfraktion in der klaren Minderheitsposition ist. Janßen und Kura zählen zum linken Flügel. Weselmanns Erklärung geschieht wenige Tage vor einer anderen wichtigen Weichenstellung der Grünen.
Die Landesliste zur Bundestagswahl wird am Wochenende aufgestellt, und der Realo-Flügel dürfte Mühe haben, unter den ersten zehn Positionen angemessen vertreten zu werden. Das macht sich vor allem an Stefan Wenzel aus, der auch ein Realo ist und zwischen 2013 und 2017 sogar Vize-Ministerpräsident war. Wenzel tritt auf Rang zwei gegen den ausgewiesenen Linken und Rot-Rot-Grün-Befürworter Sven-Christian Kindler an, bei einer Niederlage dürfte er es wohl noch auf anderen Plätzen versuchen. Bei den Grünen wird mit großer Spannung beobachtet, wie die Partei mit ihrer einstigen Leitfigur Wenzel umgehen wird.