Die Grünen im Landtag werfen der Landesregierung vor, zu wenig zu tun, um die Artenvielfalt in Niedersachsen zu schützen. Anlass für diese erneute Kritik war ein UN-Bericht, demzufolge eine Million Arten weltweit vom Aussterben bedroht sind. Klimawandel und Artensterben seien die zwei wichtigsten Probleme, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel gestern im Landtag. „Wenn wir die nicht in den Griff kriegen, dann brauchen wir uns irgendwann auch nicht mehr um Wirtschaftsförderung, Sozialpolitik oder Schulpolitik zu sorgen.“ Auch Niedersachsens Landwirtschaft sei durch das Artensterben direkt gefährdet. „Wenn das Insektensterben hier so weitergeht, drohen uns Ernteausfälle in Milliardenhöhe.“ Die Landwirte mit ihren Familien seien am Ende die Verlierer, sagte Piel.

UN-Studie: Millionen Tierarten sind vom Aussterben bedroht – auch Wildbienen sind betroffen – Foto: viperagp

Für den Rückgang der Artenvielfalt hierzulande machen die Grünen eine Handvoll Ursachen aus. Als wesentliches Problem aber sehen sie die konventionelle Landwirtschaft. Von Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) fordern sie daher, den Öko-Landbau angemessen zu fördern. Auf Bundesebene sollen „Glyphosat und andere Insektengifte“ vom Markt genommen werden. Bei der Problemanalyse pflichtete der SPD-Umweltpolitiker Dirk Adomat den Grünen bei. Eine Hauptursache für das Artensterben sei der große Flächenverbrauch der Landwirtschaft, wodurch wertvolle Ökosysteme beschädigt würden. „Von einer Erholung könne man nur dann sprechen, wenn ein gesunder Bestand überlebt. Das findet nicht mehr statt.“ Adomat sagte, das Artensterben sei nicht gleichzusetzen mit dem Klimawandel – es sei noch schwerwiegender.

Wenn wir die nicht in den Griff kriegen, dann brauchen wir uns irgendwann auch nicht mehr um Wirtschaftsförderung, Sozialpolitik oder Schulpolitik zu sorgen.

Hermann Grupe, Agrarpolitiker der FDP, sieht die Verantwortung nicht allein bei den Landwirten. Umweltmaßnahmen müssten für diese schließlich auch wirtschaftlich sein. „Wenn die Gesellschaft wünscht, dass Landwirte nicht nur Nahrung produzieren, sondern auch etwas für Umweltschutz und Artenvielfalt tun, und das entsprechend entlohnen, machen wir das gerne.“ Helmut Dammann-Tamke (CDU) sieht den richtigen Hebel dafür in der gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP). Diese müsse die Einkommen der Bauern sichern, für faire Preise sorgen und den Artenschutz im Blick behalten. Die Agrarumweltprogramme seien für Landwirte aktuell allerdings noch nicht attraktiv genug. Diese seien nicht einkommenswirksam, sondern würden lediglich die Mehrausgaben abdecken.

Dem schließt sich Umweltminister Olaf Lies (SPD) an. Mit der GAP-Reform müsse ein Weg gefunden werden, mit dem die Landwirte nicht nur über die erste Säule der GAP ihre Lebensgrundlage gesichert bekämen, sondern über die zweite Säule auch etwas für den Umweltschutz getan werde. „Die Dienstleistung, die die Landwirte für die Gesellschaft erbringen, muss auch honoriert werden.“ Die Grünen sorgen sich jedoch, dass mit der GAP-Reform, die erst nach der Europawahl Gestalt annehmen wird, eine Kürzung im Umwelt-Fördertopf um 27 Prozent kommen könne.

Schottergärten: Große Koalition will für Nährpflanzen werben

Für Niedersachsen beabsichtigt Umweltminister Olaf Lies ein Aktionsprogramm Insektenvielfalt aufzulegen, wie er Mittwoch im Landtag erklärte. Daran sollten alle Ressorts beteiligt werden und gemeinsam schauen, was sie jeweils tun könnten. SPD und CDU haben zudem Mittwoch einen gemeinsamen Antrag zum Schutz der Wildbienen in den Landtag eingebracht. Blühstreifen- und Agrarumweltprogramme sollen demnach optimiert werden. Außerdem soll überprüft werden, ob durch einen späteren Aussaattermin der Nutzen dieser Programme für die Landwirte attraktiver werden können. Für eine Reduzierung von Pflanzenschutzmittel solle sich die Landesregierung auch einsetzen – allerdings nur im privaten Gebrauch und nicht in der Landwirtschaft. Mit zwei weiteren Punkten in ihrem Antrag sagen SPD und CDU nun Schottergärten den Kampf an. Die Landesregierung soll gemeinsam mit den Kommunen auf die negativen Auswirkungen von Schottergärten hinweisen und für Bienennährpflanzen werben. Die Grünen und die AfD kritisierten diesen Vorschlag. „Da muss man keine Kampagnen machen, sondern das geltende Recht einhalten“, sagte Christian Meyer von den Grünen, und Stefan Wirtz von der AfD stellte fest: „Mit Schottergärten müssen wir uns gar nicht befassen, da das ja in der Bauordnung schon geregelt ist.“


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