Das Thema bewegt die Stadt, es gibt viele Veranstaltungen, viele Diskussionen und auch Streit. Soll neben der Kaiserpfalz in Goslar, einem beliebten Ausflugsort, eine neue Stadthalle gebaut werden? Wenn das so käme, würde daneben noch ein Hotel gebaut werden, es würden eine Tiefgarage und ein Park entstehen – und das Quartier, auf dem früher eine Kaserne des Bundesgrenzschutzes stand, wäre damit erheblich aufgewertet. Ob das alles aber tatsächlich so kommt, dürfte sich am 7. April entscheiden.

Der Entwurf von Nieto Sobejano Arquitectos zeigt, wie der Neubau in Goslar aussehen könnte. | Grafik: Nieto Sobejano Arquitectos

Die Gegner des bisherigen Modells einer Finanzierung der Stadthalle, die vor allem Unterstützung von den Grünen und von der Bürgerliste erhalten, machen mobil. Sie meinen, dass die Stadt ein solches Projekt nicht mit eigenen Haushaltsmitteln unterstützen dürfe – zumal dann in der Folge Kürzungen bei Sozialausgaben drohten. CDU, SPD und FDP in Goslar sind hingegen weitgehend für das Projekt und sehen darin sogar eine günstige Chance für die Stadt. Am 7. April kommt nun ein Bürgerentscheid zu der Frage.

Dreh- und Angelpunkt ist ein Vertrag mit dem Goslarer Unternehmer und Ehrenbürger Hans-Joachim Tessner, dem Inhaber der Roller-Möbelhäuser, der früher als Eigentümer von „Möbel-Unger“ seine Firma an den Metro-Konzern angliederte. Tessner spielt in der Goslarer Stadtentwicklung immer wieder eine Rolle. Im Ringen um den Zuschlag für das Gelände der einstigen Reichsbauernhalle ging er 2016 leer aus, die Klosterkammer kam zum Zuge. Dass der damalige Oberbürgermeister Oliver Junk (CDU) ein Schreiben Tessners nicht zu den Akten für den Rat nahm, führte in der Hochphase des Kommunalwahlkampfs 2021 zu einem Disziplinarverfahren, das umstritten ist und derzeit die Rolle von Innen-Staatssekretär Stephan Manke (SPD) in den Fokus rückt.

Oliver Junk | Foto: privat

Zwischen Tessner und Junk gab es schon 2014 eine „Entwicklungsvereinbarung“ für das Kaiserpfalz-Gelände – in dem die Idee, die jetzt zur Abstimmung steht, schon in groben Zügen skizziert war. Zuvor hatte Junk Schiffbruch mit dem Plan erlitten, auf dem Gelände der alten BGS-Kaserne ein Shopping-Center anzusiedeln. Aktuell erhitzt nun nicht der Tessner-Plan von 2014 die Gemüter, sondern nur ein Teil davon, die Stadthalle betreffend.

Der Plan der Stadt sieht so aus: Der Stadthallen-Bau wird auf rund 17 Millionen Euro geschätzt. Tessner will davon 6,5 Millionen Euro tragen und zudem für die Unterhaltung 20 Jahre lang jährlich 200.000 Euro zusteuern. Das Land leistet wohl einen Zuschuss von 3,2 Millionen Euro. Die Diskussion über den Betrag, der bei der Stadt bliebe, tobt gegenwärtig heftig und variiert zwischen 8,5 Millionen und 13,9 Millionen Euro. Für die Gegner des Vorhabens ist das zu viel, sie verstehen nicht, dass ein Millionär wie Tessner noch einen Stadtzuschuss haben will. Die Befürworter verstehen wiederum diese Einwände nicht, denn es sei ja Tessner, der selbst einen großen Beitrag für ein Gebäude aufbringt, das später dann der Stadt gehört. Der Möbel-Unternehmer hat zudem deutlich gemacht, dass er die Gesamtinvestition in dem Kaiserpfalz-Quartier stoppen wird, wenn eine Mehrheit beim Bürgerentscheid gegen den Stadthallen-Deal sein wird.

Hier kommt nun die Kommunalverfassung ins Spiel. Erfolg hätte das Bürgerbegehren nur, wenn 20 Prozent der Wahlberechtigten mit „Ja“ stimmen, das wären 8018 Bürger über 16 Jahre. Zudem müssten mehr „Ja“- als „Nein“-Stimmen abgegeben werden. Das Verzwickte ist, dass ein „Ja“ bedeutet, den Stadtzuschuss zur Stadthalle und damit das Gesamtvorhaben abzulehnen. Ein „Nein“ wäre die Zustimmung zu dem Vorhaben. Die Skeptiker verweisen auf leerstehende Hotels und Kurhäuser im Harz. Das zeige, dass der Bedarf in der Gegend eher gering sei, die vermutete Auslastung also auch.

Die Befürworter entgegnen, dass die bisherigen Herbergen für die regelmäßigen Tagungen des Philologenverbandes und vor allem des Verkehrsgerichtstags in Goslar schon zu klein seien, man brauche neue Quartiere, um weiterhin ein begehrtes Ziel für Kongresse zu bleiben. Für das Vorhaben macht sich auch ein prominenter Goslarer stark, der frühere Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel, ein langjähriger Freund von Tessner. In einer Veranstaltung beklagte sich Gabriel darüber, dass ein früherer enger Mitarbeiter von Junk, der jetzt Wirtschaftsförderer in Helmstedt ist, auf Instagram über den Zuschuss der Stadt für Tessners Investment gelästert hatte. Das sei „plumpe Verleumdung“, betonte Gabriel.