13. Okt. 2016 · 
Kommentar

Glücksspiel: Der „Bäh-Faktor“ in der Politik

Darum geht es: Die Politik in Niedersachsen diskutiert weiter darüber, wie das Glücksspiel besser reguliert werden kann. Ein Kommentar von Martin Brüning. Die besonders schwierigen Themen werden bei einer Ministerpräsidentenkonferenz immer beim sogenannten Kamingespräch diskutiert. Auch bei der nächsten Runde in knapp zwei Wochen in Rostock wird es wieder ein solches Gespräch geben. Diskutiert wird einmal mehr der Glücksspielstaatsvertrag. Ein Thema, das die Länder seit Jahren vor sich herschieben, ohne dabei einen besonders großen Schritt weiterzukommen. Juristisch ist eigentlich alles klar: So, wie es derzeit geregelt ist, geht es nicht. Dennoch steht eine sinnvolle Lösung nach wie vor aus. Das Thema hat es in der Politik seit jeher nicht leicht. Es finden sich im politischen Raum nur wenige Experten, die den Bereich in seiner Komplexität durchdringen oder überhaupt durchdringen wollen. Das liegt auch daran, dass es sich für den Politiker nicht auszahlt, sich mit dem Thema zu befassen. Die Glückspielbranche umweht nach wie vor ein gewisser „Bäh-Faktor“. Glücksspiel, das klingt nach einer dunklen Spelunke mit zwielichtigen Gestalten, die an einarmigen Banditen zocken. Am Glückspiel ist Politik nur interessiert, wenn bei der regionalen Lotto-Gesellschaft für den Landeshaushalt etwas herausspringt oder man dort einen gutdotierten Posten vergeben kann. Lotto, das ist das „gute“ Glücksspiel. Ansonsten lässt man lieber die Hände davon. Das japanische Drei-Affen-Prinzip (nichts sehen, nichts hören, nichts sagen) hat den Glücksspiel-Boom der vergangenen Jahre allerdings nicht aufhalten können. Allein in Deutschland werden inzwischen vermutlich rund 20 Milliarden Euro im Jahr für Glücksspiel ausgegeben. Dabei habe die Unternehmen, die die Spiele anbieten, durchaus eine Lizenz – nur eben nicht in Deutschland. Die Länder haben es geschafft, den größten Teil des Glücksspiels in den Graumarkt ohne jegliche Regulierung zu verlagern. Gibt es dort Spielerschutz? Schwer zu sagen. Und Jugendschutz? Weiß man nicht so genau. Auch die Landespolitik hat in den vergangenen Jahren bewusst am Thema vorbeidiskutiert. So konnte sich in der Hochphase der Glücksspiel-Diskussion im Jahr 2011 der damalige SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner eine „moderate Erweiterung der Vertriebswege für Lotto und die staatliche Sportwette Oddset im Internet“ vorstellen. Auf der anderen Seite müsse aber das „rechtswidrige Online-Spiel“ konsequent verfolgt werden. Und in einem Papier der CDU-Fraktion hieß es: „Generell hat sich das System der staatlichen Lotterie- und Sportwettenangebote im Wesentlichen bewährt“. Stimmt, die Masse spielt halt inzwischen nur woanders. Die Politik mag unterscheiden zwischen gutem (staatlichen) Lotto und schlechtem (privaten) Lotto. Sie kann Pferdewetten für sinnvoll und legal halten und Online-Poker für Teufelszeug. Allerdings haben das Internet und dessen Nutzer die kuriosen und zum Teil naiven Ansichten in der Politik hinter sich gelassen. Die Politik könnte auch zum Beispiel US-amerikanische Hosen für schlecht halten – dennoch könnte sich der Verbraucher in den USA gleich mehrere davon online bestellen. Reden wir nicht vom Geld, das die Politik mit den zusätzlichen Konzessionen einnehmen könnte. Sprechen wir vom Schutz, den der Staat Spielern und Jugendlichen durch eine bessere Regelung gewähren könnte. Wie zuvor Schleswig-Holstein gibt es auch jetzt wieder ein Bundesland, das aus der Reihe der Ignoranz ausschert und einen besseren Vorschlag auf den Tisch gelegt hat: Hessen. Der Antrag von CDU und Grünen sieht keine zahlenmäßige Begrenzung der Konzessionen bei Sportwetten mehr vor. Stattdessen müssen Anbieter qualitative Anforderungen erfüllen. Das ist ein wesentlich sinnvollerer Vorschlag als die Idee, die Zahl der Konzessionen zu erhöhen. Damit landen die Bundesländern nur wieder vor Gericht. Und es kann schon einmal eine weitere Wiedervorlage erstellt werden - für das nächste Kamingespräch. Mail an den Autor dieses Kommentars
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #185.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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