Gewerkschaftsmüde Jugend: Verdi leistet Überzeugungsarbeit
Rund der ein Fünftel der jüngeren Erwachsenen hält Gewerkschaften für überflüssig. Das geht aus einer Umfrage der Gewerkschaft Verdi unter 16- bis 27-Jährigen Arbeitnehmern hervor. Dagegen halten 62 Prozent in dieser Zielgruppe Gewerkschaften für einen unverzichtbaren Bestandteil der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Das sind signifikant weniger als in der Gesamtbevölkerung. Hier halten mehr als drei Viertel Gewerkschaften für notwendig. Das bedeute aber nicht, dass sie alle auch gewerkschaftlich organisiert seien, beklagte Verdi-Chef Frank Bsirske gestern in Hannover. Mit einer Aktionswoche wirbt die Gewerkschaft um neue Mitglieder und besucht dafür bundesweit bis zu 900 Betriebe. In Hannover waren unter anderem Termine bei der Telekom und in der Medizinischen Hochschule vorgesehen. Weitere Gespräche soll es zum Beispiel mit beim Bekleidungs-Billiganbieter Primark und in mehreren Edeka-Filialen geben.
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„Wir machen die Erfahrung, dass die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft heute nicht mehr selbstverständlich ist. Die jungen Menschen wollen überzeugt werden“, sagte Bsirske. Deshalb sei die Gewerkschaft gut beraten, das Gespräch zu suchen. Viele hätten gar keine Vorstellung darüber, wozu eine Gewerkschaft notwendig ist, und sich auch noch nie damit auseinandergesetzt. „Man muss im Gespräch mit den jungen Menschen einfach einmal die Frage stellen: Was passiert eigentlich, wenn man alleine als Krankenpflege-Azubi meint, man brauche mehr Urlaub oder eine bessere Vergütung?“, erläuterte Bsirske.
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Es gebe in den verschiedenen Branchen massive Unterschiede beim Organisationsgrad der Mitarbeiter. So seien in den städtischen Kitas in Hannover insgesamt 96 Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert, in anderen Bereichen seien es nur fünf Prozent. Verdi will sich jetzt auch stärker um Branchen kümmern, in denen die Gewerkschaft eher schwach vertreten ist. Man gehe nun das Thema Organisierung der Azubis im Friseurbereich an, sagte Bsirske. Im Westen liege die Ausbildungsvergütung bei rund 440 Euro, im Osten bei etwa 250 Euro. Verdi versuche jetzt über die Berufsschulen, Auszubildende im Friseurbereich zu organisieren.
Insgesamt halte sich die Zahl der Verdi-Mitglieder stabil. Trotz 132.500 Eintritten gab es bei der Gesamtzahl der Mitglieder nahezu keine Veränderung. Allerdings müsse man eine Organisation mit einer so hohen Zahl an Neueintritten erst einmal finden, so der Verdi-Chef.