General Schnittker: Die Sanierung der Bundeswehr wird lange dauern und teuer
Die Bundeswehr in Niedersachsen appelliert an Landes- und Bundespolitiker, den Prozess der Sanierung der Streitkräfte mit Verständnis und Unterstützung zu begleiten. Der Kommandeur und Feldjägerführer der Bundeswehr, Brigadegeneral Udo Schnittker, sagte gestern zum Jahresempfang der Bundeswehr in der Landeshauptstadt, die Bundeswehr sei ein „unterfinanziertes Großunternehmen“, für das 25 Jahre lang Geld „in eine Zusatz- und nicht in die Kernaufgabe gesteckt“ worden sei. Lange Zeit sei investiert worden in die internationalen Hilfseinsätze der Truppe, nicht aber in die eigentliche Aufgabe, die Verteidigung der Bundesrepublik. Jetzt entdecke man „den Ursprungszweck wieder“, müsse aber erkennen, wie aufwendig und langwierig dieser Prozess sei. „Seit 2008 sind acht Milliarden Euro im Verteidigungsetat eingespart worden. Wir leben also aus der Substanz – es gibt kein Fett mehr, es herrscht Mangel“, betonte Schnittker.
Der General, der Kopf der Feldjäger in Deutschland ist und mit dem Kommando der Feldjäger in Hannover stationiert ist, verglich die Streitkräfte mit einem Haus, das ursprünglich für die Landesverteidigung gebaut wurde und dann viele Jahre lang für einen anderen Zweck genutzt wurde. Dafür habe man aber nur die Fassade erneuert. Erst als dann vor wenigen Jahren klar geworden sei, dass man zum Wesen des Gebäudes zurückkehren müsse, sei aufgefallen, dass die Räume zu klein sind, das Treppenhaus brüchig sei und die Versorgungsleitungen „unbrauchbar, veraltet und nicht nutzbar“ seien. Jetzt seien Steine und Mörtel für die Umbauten bestellt worden, das Gerüst stehe auch schon bereit. Aber es sei noch „ein langer Atem nötig“, um die erforderlichen Schritte umzusetzen. „Wir müssen auch ehrlich zugeben: Das wird Geld kosten“, sagte Schnittker.
Mit der Entscheidung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, mit seinem Vorgehen in der Ukraine „die Herrschaft des Rechts durch Gewalt zu ersetzen“ und Europa zu spalten, habe ein Umdenken eingesetzt. Es sei nun auch völlig richtig, die Anstrengungen zur Stärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit der Armeen in den Nato-Staaten zu verstärken. Ziel der Bundeswehr müsse es sein, „bündnistreu aufzutreten und das Land für Aggressoren unappetitlich zu machen“, außerdem „die Widerstandsfähigkeit gegen unheiligen Allianzen“ zu erhöhen. Die Bürger Niedersachsens würden es spüren, wenn künftig häufiger Militärkolonnen die Autobahn benutzen oder in Sperrgebieten öfter als bisher Soldaten üben müssen. Zur Strategie der Bundeswehr müsse dann aber auch gehören, die Stärken der Demokratie zu nutzen – offene Kommunikation und Ehrlichkeit bei der Verbreitung von Fakten.
Der Chef der Feldjäger hob auch die gerade von Hannover ausgehenden Anstrengungen hervor, den neuen Traditionserlass der Bundeswehr zu prägen und sich von falschen Vorbildern (etwa bei der Benennung von Kasernen) zu lösen. So hätten die Feldjäger entschieden, die hannoversche Kaserne nach dem Hauptfeldwebel Tobias Langenstein zu benennen, der 2011 bei einem Anschlag in Afghanistan getötet worden war. Die neue Namensgebung der Kaserne im vergangenen März sei „bundesweit beispielgebend“ gewesen – die Soldaten in Hannover hätten nach einem Namensgeber gesucht, der „Identifikation erlaubt“. Der hannoversche Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) lobte nach Schnittkers Rede die offene und direkte Diskussionskultur der Bundeswehr in Hannover, die sich auch in der Umbenennung der Kaserne ausdrücke. Tradition müsse eben auch bedeuten, überlieferte Bezeichnungen und Rituale zu hinterfragen.
Landtagsvizepräsident Frank Oesterhelweg (CDU) forderte, die bislang magere Finanzierung der Bundeswehr „deutlich nachzubessern“ und die Hilfe für Soldaten in der Gesellschaft, vor allem für die aus Kriegseinsätzen zurückgekehrten und nicht selten traumatisierten Kameraden, erheblich zu verstärken. Der Staat habe hier „eine besondere Verantwortung“. Oesterhelweg sagte, im Vergleich zu seiner eigenen Bundeswehrzeit Anfang der achtziger Jahre fühle er sich heute weniger sicher als damals, da die Situation während des kalten Krieges „überschaubarer und übersichtlicher“ gewesen sei. Die Bedrohung sei heute „wesentlich diffuser“.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #120.