23. Aug. 2020 · 
Inneres

Früherer Staatssekretär rät, Behörden in strukturschwache Städte zu verlagern

An der Politik des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder könnte sich Niedersachsen ein Beispiel nehmen, meint der frühere Staatssekretär und Wilhelmshavener Bürger Hans-Joachim Gottschalk. Der Jurist schlägt im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick vor, mit einem größeren Plan die strukturschwachen Städte abseits von Metropolregionen zu neuen Standorten von Landesbehörden zu erklären. „Ich denke dabei an Städte wie Wilhelmshaven, Salzgitter und Delmenhorst“, erklärte Gottschalk. Dieser Schritt könne ein Mittel sein, den Dauerproblemen in diesen und anderen Gegenden zu begegnen – also der Abwanderung, Überalterung und schlechteren Infrastruktur. Wenn Behörden auf diese Weise verlagert werden, könnte es zu einer Stärkung der Zentralität dieser Städte auch als Identitätspole für ihre Umgebung kommen. ÖPNV und andere Angebote könnten gestärkt werden.
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Gottschalk, promovierter Jurist, war Anfang der neunziger Jahre und noch einmal nach 2002 Staatssekretär im Nachbarland Sachsen-Anhalt – und zwar im Bauministerium, das auch für Raumordnung und Landesplanung zuständig ist. Nach seiner Pensionierung zog er in seine Heimat Wilhelmshaven zurück. Seit langer Zeit beschäftigt ihn der wachsende Stadt-Land-Gegensatz, der auch in Niedersachsen immer spürbarer werde. Seine Gedanken zu diesem Thema hat er schon vor Ausbruch der Corona-Krise aufgeschrieben. Gottschalk argumentiert so: Wenn man Landesbehörden aus den Ballungsräumen abzöge, würde dies zum einen diese Metropolen entlasten. Das fängt an bei der Vermeidung von Verkehrsstaus und den damit verbundenen Abgasbelastungen. Höhere Kosten für Büro-Immobilien einerseits und höhere Wohnkosten für die Mitarbeiter andererseits seien in Ballungsräumen die Regel. Beides werde sich günstiger darstellen, wenn Behörden auf das Land verlagert werden. Da die meiste Kommunikation längst über das Internet läuft und der Breitbandausbau in Niedersachsen beträchtliche Fortschritte macht, sei das Argument der schlechten Anbindung und Vernetzung, das gemeinhin gegen Behördenverlagerungen ins Feld geführt wird, nicht mehr überzeugend. Auch die Personalverlagerung könnte, wie das bayerische Beispiel zeige, personalfreundlich gestaltet werden. Auf der anderen Seite könne ein solcher Schritt für bisher „abgehängte“ Städte und Regionen eine Aufwertung bedeuten. Heimatliche Identitäten könnten gefördert werden, die Ansiedlung von Mitarbeitern in den Gegenden könne diese beleben und die strukturschwachen Gebiete vor einer weiteren Entleerung bewahren. Auf diese Weise wäre es ebenfalls möglich, dem „bekannten Sog der Begabungen in die Ballungsräume zu begegnen“, fügt Gottschalk hinzu. Das Programm könne also ein Schritt sein, zu stärker ausgewogenen Lebensverhältnissen im Flächenland Niedersachsen zu kommen.

Bayern hat unter Stoiber angefangen

In Bayern wurde schon zu Zeiten von Ministerpräsident Edmund Stoiber mit einem Programm zur Behördenverlagerung begonnen. Markus Söder hat es zu Beginn dieses Jahres noch einmal verstärkt. So zieht eine Abteilung des Finanzamts München nach Schweinfurt, in Oberfranken entsteht ein Polizeibeschaffungsamt, der Verwaltungsgerichtshof zieht nach Ansbach. Eine Triebfeder mag auch der extreme Anstieg der Miet- und Grundstückskaufpreise im Raum München gewesen sein. In Niedersachsen ruht die Debatte über neue Zuschnitte oder Standorte von Behörden, eine seit längerem tätige Regierungskommission fällt durch Tatenlosigkeit auf. Als Finanzminister Reinhold Hilbers die Finanzämter neu strukturierte, wurde besonders betont, dass sämtliche Standorte erhalten bleiben sollen. Die Mahnungen des Landesrechnungshofes, beispielsweise die vielen Amtsgerichte und Finanzämter neu zu ordnen und Standorte zu schließen, wurden bisher von der Landesregierung nicht aufgegriffen. Die wegbrechenden Einnahmen des Staates jedoch könnten eine Reformdiskussion anschieben – und damit auch eine Chance zur Debatte über den Gottschalk-Vorschlag führen.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #145.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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