1. Okt. 2020 · 
Bildung

Freie Schulen fordern Corona-Aufschlag bei der Finanzhilfe

Die freien Schulen in Niedersachsen sehen sich in der Corona-Krise ein weiteres Mal gegenüber staatlichen Schulen im Nachteil. So gebe es Empfehlungen des Kultusministeriums, wie in den Schulen vorzugehen sei, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Aber während sich bei den staatlichen Schulen zum Beispiel die Kommunen als Träger um die Gebäude und deren Ausstattung kümmerten, blieben die freien Schulen auf sämtlichen Kosten sitzen. Dort stelle man zum Beispiel fest, dass die Preise für Seifenspender stark angezogen haben.
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„Wir brauchen einen Corona-Aufschlag bei der Finanzhilfe“, fordert Michael Kropp, Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen Niedersachsen (AGFS), im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Die freien Schulen kämpften ebenfalls mit höheren Kosten für Personal und Ausstattung, bekämen aber nicht die gleiche Unterstützung. Auch das Angebot des Kultusministeriums, dass sich Lehrkräfte in Niedersachsen zweimal anlasslos auf Corona testen lassen können, gilt der Arbeitsgemeinschaft zufolge nicht für Lehrer an freien Schulen.

Kultusminister besucht die AGFS

Über die Finanzhilfe für die freien Schulen wird abseits der Corona-Krise seit langem diskutiert, ohne dass man dabei nur einen Schritt weitergekommen wäre. Am heutigen Freitag kommt Kultusminister Grant Hendrik Tonne in die Mitgliederversammlung der AGFS und stellt sich den Fragen der Vertreter freier Schulen. Und Fragen gibt es reichlich, viele werden schon seit Jahren gestellt, ohne dass es bisher eine Antwort darauf gibt. Bereits vor ziemlich genau drei Jahren hatte die damalige AGFS-Vorsitzende Heike Thies in einer Veranstaltung von einer „bitteren Realität“ gesprochen. Das System sei so unübersichtlich, dass man inzwischen gar nicht mehr genau errechnen könne, wie die Stundensätze in der Finanzhilfe eigentlich zustande kämen. „Wir sehen nur, dass das Geld bei weitem nicht mehr kostendeckend ist und wir bei den Personalkosten mittlerweile unter 80 Prozent liegen“, erklärte Thies damals. Drei Jahre später hat sich an der Situation nichts geändert, sie ist durch steigende Kosten bei den freien Schulen eher problematischer geworden. Und das, obwohl SPD und CDU im Koalitionsvertrag vereinbart hatten, die Finanzhilfen für bestehende und neu gegründete Schulen in freier Trägerschaft zu überprüfen und „angemessen weiterzuentwickeln“. Eine vor Jahren eingerichtete Arbeitsgruppe scheint nur noch auf dem Papier zu existieren, auch der Dialog zwischen Verband und Kultusministerium befindet sich im Dornröschenschlaf. Man arbeite an einem Konzept für die Finanzhilfe, hört man beim AGFS aus dem Ministerium, gesehen hat man davon nie etwas. Vorstandschef Kropp präsentierte daraufhin im Februar selbst ein neues Finanzhilfe-Konzept, das sich an das Modell in Sachsen-Anhalt anlehnt. Ziel ist es, überhaupt einmal eine Grundlage dafür zu finden, welche Kosten in den Schulen überhaupt konkret entstehen und Transparenz in das System zu bringen.

Schmerzgrenzen der Eltern erreicht

Inzwischen seien die finanziellen Schmerzgrenzen für Eltern erreicht, die ihre Kinder auf freien Schulen haben, heißt es bei der AGFS. Denn viele freie Schulen hätten in den vergangenen Jahren zum Beispiel Tarifsteigerungen für die Lehrer nur über ein höheres Schulgeld finanzieren können. Auch bei den Gebäuden fahre man auf Verschleiß. Gleichzeitig sei die Ausstattung der Schulen ein immer größerer finanzieller Kraftakt. Man wolle keine bessere Ausstattung als die staatlichen Schulen, aber eine vergleichbare, heißt es bei der AGFS. https://www.youtube.com/watch?v=DnONChMNCfM&feature=emb_title Ins Bild passt, dass die Frage der Erstattung der unabwendbaren Stornokosten für Corona-bedingt ausgefallene Klassenfahrten immer noch nicht abschließend geklärt ist. Bei den freien Schulen geht es dabei um etwa 1,6 Millionen Euro. Beim Verband stellt man fest, dass die Erstattung in anderen Bundesländern schon längst über die Bühne gegangen ist, nur in Niedersachsen hängt man einmal mehr hinterher. Zuerst gab es keinen Haushaltstitel für die Zahlung, jetzt hängt die Rückerstattung an rechtlichen Fragen, die noch zu klären sind. Die AGFS hört inzwischen immer häufiger Klagen von Müttern und Vätern. Sie sagen, man fühle sich wie „Eltern zweiter Klasse“.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #174.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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