Hinter den Kulissen im Landtag laufen die Vorbereitungen für eine Debatte, die lang und heftig werden könnte. Ende September legt die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) eine Deutschland-Karte mit vermutlich mehr als 50 möglichen Standorten für ein Atommüll-Endlager vor. In einem mehrstufigen Prozess, bei dem Schritt für Schritt immer mehr Standorte nach einer Prüfung ausgeschlossen werden sollen, wird dann nach den bisherigen Plänen des Bundes im Jahr 2031, also in elf Jahren, nur noch ein Endlager-Platz übrig bleiben.

Dachten manche in Niedersachsen, dass mit den langwierigen Debatten um Gorleben dieses Bundesland jetzt verschont bleiben könnte, so täuschen sie sich. Mutmaßlich werden die meisten der im ersten Schritt präsentierten Standorte in Niedersachsen liegen. Im Landtag nun gedeihen Überlegungen, dass die Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP schon Mitte September Position beziehen könnten – allerdings wohl nur in der Form, den Auswahlprozess konstruktiv und kritisch begleiten zu wollen.


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Noch sind die Planungen nicht konkret, aber in der Vorbereitung werden drei verschiedene Wirtsgesteine als mögliche Umgebung angepeilt: Salz, Ton und Granit. Zunächst sind es die Salzstöcke. Salz hat den Vorteil, dass es die Atomfässer umschließt – aber es ist wasserlöslich. Es gibt Salzstöcke in Wahn (Emsland), im ostfriesischen Kreis Leer, im Kreis Ammerland, im Raum Verden/Diepholz, im Raum Celle und im Raum Gifhorn. Gorleben, wo schon für zwei Milliarden Euro Erkundungen gelaufen sind, wurde nicht aus dem Plan genommen – obwohl die Gorleben-Kritiker betonen, es fehle ein Deckgebirge, das den Salzstock vom Grundwasser abschirmt. Insgesamt liegen fast alle Salz-Standorte in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.

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Auch Ton wird als Wirtsgestein angenommen, die Abdichtung ist hier sehr gut, bei Hitze allerdings kann es Risse geben. Die meisten Tonvorkommen sind in Niedersachsen, ein Band zieht sich über die Grafschaft Bentheim, Emsland und Kreis Osnabrück, Diepholz-Nienburg, und Hannover bis in die Region Braunschweig. Wenige weitere Tonvorkommen liegen östlich davon. Als drittes Wirtsgestein wird Granit angenommen – das ist sehr massiv, kann aber Risse bilden, die Wasser eindringen kann. Vor allem Nordost-Bayern und in Sachsen liegen Standorte. Es heißt aber, in der Ende September präsentierten Karte könnten auch noch Granit-Standorte im niedersächsischen Harz hinzukommen.

Derzeit sieht es also stark danach aus, dass Niedersachsen in der ersten Auswahlstufe für die Endlagersuche besonders stark betroffen sein wird. Das mischt sich nun mit den beginnenden Vorbereitungen auf die Kommunalwahl im September 2021 – und damit wächst die Vermutung, lokale Politiker und Gremien könnten frühzeitig massiv gegen ein Endlager in ihrem Ort protestieren. 1976 hat es schon ein Beispiel dafür gegeben. Wahn im Emsland war damals neben Unterlüß bei Celle und Lichtenmoor bei Nienburg als Atommüll-Endlager von der SPD/FDP-geführten Bundesregierung auserkoren worden. Der Widerstand vor Ort, vor allem der Emsländer in der niedersächsischen CDU, verhinderte den Plan – man verständigte sich stattdessen auf Gorleben.

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Als 2013 SPD und Grüne eine neue Landesregierung bildeten, erklärten sie im Koalitionsvertrag, Gorleben sei als Standort für ein Endlager „nicht geeignet“ und müsse „endgültig aufgegeben werden“. Mit Spannung kann jetzt erwartet werden, ob es – angesichts der vielfältigen niedersächsischen Standortalternativen – zu einer Wiederholung dieser Aussage kommt. Sollte der Landtag in Niedersachsen in den nächsten Wochen beschließen, Gorleben von vornherein auszuschließen, könnte das ein schwerer strategischer Fehler sein: Dann könnten sich andere Bundesländer, die weniger Standorte haben, zu einem ähnlichen Vorgehen ermuntert fühlen. Das könnte die Wahrscheinlichkeit für andere niedersächsische Standorte dann erhöhen.