14. Okt. 2020 · 
Bildung

Finanzministerium beharrt auf unterschiedlicher Besoldung bei Lehrern

Die Frage keimt immer wieder auf – aber eine Annäherung ist weiter nicht erkennbar. Die Grund-, Haupt- und Realschullehrer werden nach A12 besoldet, wenn sie ihren Dienst beginnen. Die Lehrer in Gymnasien und in Förderschulen aber bekommen zum Start gleich A 13. Ist das noch in Ordnung? Der Hauptschullehrer Valentin Ruckgaber aus Otterndorf (Kreis Cuxhaven) fühlte sich provoziert, als Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) im vergangenen Jahr erklärte, die unterschiedliche Gewichtung sei wegen der verschiedenen Bedeutung der Aufgaben gerechtfertigt. „Das empfand ich als beleidigend und als eine Form der Geringschätzung“, erklärte Ruckgaber am Mittwoch in einer öffentlichen Anhörung des Landtags-Petitionsausschusses. Der Lehrer schrieb eine Eingabe an das Landesparlament – und erntete einen erstaunlichen Widerhall, online unterstützten in wenigen Wochen 5000 weitere Bürger seinen Vorstoß. Nun will sich der Landtags-Petitionsausschuss Zeit lassen mit der Entscheidung, ob man der Eingabe folgt oder Ruckgaber lediglich auf die geltende Rechtslage verweist. Derzeit macht der Unterschied zwischen A12 und A13 in der Einstiegsstufe rund 400 Euro aus. Im vergangenen Jahr aber hat die Große Koalition eine Zulage für die nach A12 bezahlten Lehrer eingeführt, die in der ersten Stufe bisher rund 100 Euro beträgt.
Sicher überwiegen der Erziehungsauftrag und die Ordnungsmaßnahmen, damit ist aber die Verantwortung keineswegs geringer.
Ruckgaber bezog sich auf die Kriterien, die nach dem Niedersächsischen Besoldungsgesetz für die Einordnung einer amtsangemessenen Vergütung im öffentlichen Dienst maßgeblich sind. Es gehe dabei um die Charakterisierung des Inhalts, des Umfangs, der Verantwortung und der Bedeutung der Arbeit. In allen Punkten sieht der Hauptschullehrer bereits eine Angleichung zwischen Grund-, Haupt- und Realschullehrern einerseits und Gymnasiallehrern andererseits. Die Unterrichtsverpflichtung der Gymnasiallehrer sei mit 23,5 Stunden sogar geringer als etwa für Grundschullehrer mit 28 Stunden, die Studieninhalte bei der Ausbildung seien in den vergangenen Jahren erheblich angenähert worden – das Referendariat betrage auch für beide 18 Monate. Ruckgaber fügte noch hinzu, dass die Inklusion es mit sich gebracht habe, dass immer mehr Kinder, die früher in eine Förderschule gegangen sind, inzwischen in Grund-, Haupt- und Realschulen unterrichtet würden. Damit übernähmen diese nach A12 besoldeten Lehrer Aufgaben, die früher den nach A13 bezahlten Förderschullehrern übertragen waren. Noch weitere Unterschiede fielen nicht mehr ins Gewicht: Alle Lehrer müssten Allgemeinbildung vermitteln – in grundlegender, erweiterter und vertiefter Form, das sei aber in allen Bereichen inzwischen eine ähnliche Herausforderung. Was die Verantwortung angehe, liege diese in Hauptschulen mittlerweile höher als woanders – weil dort häufiger „bildungsferne Schichten“ anzutreffen seien mit höherer Affinität zu Kriminalität und zu Haltungen, die der freiheitlich-demokratischen Grundordnung widersprechen. „Sicher überwiegen der Erziehungsauftrag und die Ordnungsmaßnahmen, damit ist aber die Verantwortung keineswegs geringer“, betonte Ruckgaber, der auch bei der Bedeutung der Lehrerberufe keine Abstufung hinnehmen will: „Gerade die Corona-Krise hat doch gezeigt, dass die Berufe im Einzelhandel, in der Pflege, im Handwerk und in der Infrastruktur besonders systemrelevant waren.“ Den Vergleich zu einem Jura-Studenten hielten diese Leute allemal aus.

SPD und CDU: Kein Ausdruck der Geringschätzung

Corinna Kuhny und Dirk Blissenbach, die Besoldungsexperten des Finanzministeriums, widersprachen. Keineswegs wolle man die Bedeutung des Lehrerberufes unterschiedlich gewichten, es gehe nur um die Einordnung der angemessenen Besoldung – und das sei nun mal eine politische Bewertungsfrage. Vor allem werde das im Studium erkennbar, so sei dieses für Gymnasiallehrer viel stärker wissenschaftlich ausgerichtet, während das in den anderen Zweigen vor allem auf die Vermittlung pädagogischer Inhalte abziele. Damit sei auch die Vorbereitung der Wissensvermittlung an Gymnasien anstrengender und zeitraubender. Vor allem aber müsse ein Gymnasiallehrer in der Lage sein, für die Klassenstufen 5 bis 13 den jeweils passenden fachlichen Stoff angemessen zu präsentieren – das bedeute also „einen deutlich höheren wissenschaftlichen Anspruch“. In der Debatte im Ausschuss sagte Björn Försterling (FDP), die geringere Bewertung der Pädagogik sei fragwürdig. Volker Bajus (Grüne) sprach von der Gefahr der Abwanderung, wenn Nachbarländer Niedersachsens Zug um Zug dazu übergingen, ihre Grund- und Hauptschullehrer im Eingangsamt mit A13 bezahlen zu wollen. Sebastian Zinke (SPD) und Editha Westmann (CDU) betonten, auf keinen Fall teile man die Einschätzung, von einer geringeren Bezahlung sei auf eine geringere gesellschaftliche Anerkennung zu schließen. Försterling warf noch das „Abstandsgebot“ auf – woraufhin Blissenbach vom Finanzministerium meinte, es könnten Klagen drohen. Falls alle Lehrer nach A13 bezahlt würden, wäre es aus seiner Sicht nicht unwahrscheinlich, dass Gymnasiallehrer mit Verweis auf die anderen Lehrinhalte ihrer Arbeit vor die Gerichte ziehen würden.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #183.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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