Die Bauverwaltung der Landeshauptstadt überraschte dieser Tage mit einem bemerkenswerten Vorstoß: Wer künftig in der Innenstadt parkt, soll nicht nur bezahlen, sondern auch büßen. Wie die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ berichtet, soll der Preis fürs „überirdische Parken“ bald auf 4,80 Euro pro Stunde steigen – bisher waren es 2,60 Euro. Wer solch jenseitige Gebühren bezahlt, darf wohl mehr erwarten als Thermopapier. Statt eines schnöden Parkscheins hätten Hannovers Autofahrer dann eigentlich Anspruch auf einen Ablassbrief: „Für deine Blech-Sünde im öffentlichen Raum bist du von aller Schuld befreit – zumindest für diese Stunde.“

Natürlich könnte man sagen: 2,20 Euro mehr pro Stunde – was ist das schon? In der hannoverschen Innenstadt bekommt man dafür gerade mal eine Kugel Eis oder eine 0,33-Liter-Dose Cola. Wer sich also über die Parkgebühr aufregt, hat einfach die falschen Prioritäten. Wäre doch gelacht, wenn man in einem der reichsten Länder der Welt für eine Stunde Blechabstellen nicht fast vierzig Prozent eines Mindestlohns hinlegen könnte.
Offiziell geht es der Stadtverwaltung um das Stopfen von Haushaltslöchern: Ein Spar- und Konsolidierungsprogramm soll acht Millionen Euro zusätzlich aus der Parkraumbewirtschaftung einspielen. Ich vermute dahinter allerdings eine Marketingoffensive unter dem Slogan: „Kein Platz für Kleingeld in der großen Stadt.“ Wer sich kein Citybike-Abo, keinen E-Scooter, keinen Lastenradanhänger und keinen Cappuccino für 5,80 Euro leisten kann, soll bitte auch nicht mit dem Dacia in die Innenstadt rollen und anderen Leuten den Selfie-Hintergrund vermiesen. Der dazugehörige Aufruf des Stadtmarketings dürfte bald auf allen Litfaßsäulen und elektronischen Werbemedien zu lesen sein: „Haltet die City instagrammable!“
Die finanzielle Schmerzgrenze der oberen Einkommensschichten wird der geplante Gebührenanstieg indes kaum tangieren. Ein Dauerbillet für den Sozialschlauch, von Geringverdienern auch "Üstra-Tagesticket" genannt, kostet schließlich ebenfalls 7,20 Euro. Für das gleiche Geld kann man – nach der Gebührenerhöhung – seinen Audi Q8 e-tron, Mercedes EQS oder Tesla Model X immerhin anderthalb Stunden in der Luisenstraße abstellen. Genug Zeit fürs Wesentliche: fix bei Louis Vuitton neue Sneaker kaufen, einen Cappuccino bei Mövenpick schlürfen und bei der Hausbank eben mal das Aktiendepot umschichten. Den abendlichen Opernbesuch erledigt man ohnehin mit Chauffeur, der einfach ein paar dutzend Runden um die Häuser kreist. Während die Herrschaften anschließend noch fein dinieren, zieht der Wagen leise seine Bahnen – gespeist vom Sonnenstrom vom Dach der Stadtvilla, der günstiger ist als jede Stunde Innenstadtparken.
Wer sich nach dieser Parkpreis-Predigt noch nicht selbst enteignet fühlt, darf jetzt weiterblättern zu den weiteren Bußübungen dieser Woche. Wenn Sie das Rundblick-Gebetsbuch für morgen aufschlagen, finden Sie darin folgende Lesungen, Fürbitten und Prüfsteine der Landespolitik:
Kommen Sie gut in den Mittwoch – aber stellen Sie sich auf längere Wege ein. Die letzte Meile in der City geht demnächst zu Fuß.
Ihr Christian Wilhelm Link