Die dreitägigen Anhörungen im Innenausschuss des Landtags zum SPD/CDU-Entwurf für ein neues Polizeigesetz haben aus Sicht von FDP-Fraktionschef Stefan Birkner und seines Innenexperten Jan-Christoph Oetjen „erheblichen Nachbesserungsbedarf“ deutlich werden lassen. Die unabhängigen Juristen des Landtags, die jede Gesetzgebung intensiv begleiten, hätten „30 teilweise schwere rechtliche Probleme“ erwähnt – und darauf hingewiesen, dass man jetzt im Kontakt mit dem Innenministerium Zeit brauche für neue Formulierungsvorschläge. „Die Vorstellung der CDU, bis Jahresende das Gesetz durch den Landtag bringen zu können, halte ich für ausgeschlossen“, sagte Birkner und fügte hinzu: „Die CDU braucht eine Trophäe, um sich gegenüber Innenminister Boris Pistorius zu behaupten. Das ist dieses Gesetz. Die Christdemokraten wollen die Deutungshoheit über die Innenpolitik zurückgewinnen.“ Da der Entwurf aber gründlich überarbeitet werden müsse, könne es eher bis Ende 2019 dauern, bis ein beschlussreifes Konzept vorliege. Es mache nun „gar keinen Sinn, Druck auf den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtags auszuüben.“


Lesen Sie auch:

Unsachliche Kritik am Polizeigesetz versperrt den Blick auf das Wesentliche

Strafverteidiger sagen voraus: Polizeigesetz wird als verfassungswidrig eingestuft werden

Aus „Gefahrenabwehr“ werden Regeln zur Verhütung von Gefahren


Falls die SPD/CDU-Koalition ihre Ankündigung wahrmacht und den Entwurf in den wesentlichen Teilen unverändert im Landtag beschließt, will die FDP dagegen juristisch zu Felde ziehen. Dafür sehe man zwei Möglichkeiten, sagte Birkner, der einen entsprechenden Beschluss des FDP-Landesvorstandes für diesen Weg vorweisen kann. Entweder man ziehe mit einer Verfassungsbeschwerde vor das Bundesverfassungsgericht, wofür vermutlich aber eine konkrete Einschränkung von Verfassungsrechten des Klägers vorgetragen werden müsste, oder man wähle den Weg einer abstrakten Normenkontrolle vor dem niedersächsischen Staatsgerichtshof. Für die zweite Variante bräuchte die FDP allerdings die Zustimmung von mindestens einem Fünftel der Landtagsabgeordneten – die Stimmen von FDP und Grünen allein würden nicht reichen, man bräuchte die AfD oder Unterstützung aus den Reihen der Koalition. „Wir werden dann sehen, wie das Versprechen von SPD und CDU gemeint ist, die Minderheitenrechte im Parlament zu stärken“, meint der FDP-Fraktionsvorsitzende.

Laut Oetjen sind vor allem zwei Punkte kritisch im Entwurf von Sozial- und Christdemokraten – die Ausweitung der „Präventivhaft“ für Menschen, denen man eine Gefahr für terroristische Straftaten unterstellt, von bisher zehn auf 74 Tage und die Regeln zur Überwachung von Computern und den Einsatz von „Staatstrojanern“. Bei der Präventivhaft gehe es um die schwierige Abgrenzung zur Untersuchungshaft – und um die Tatsache, dass andere Staaten ebenfalls kürzere Fristen kennen, allerdings auch niedriger Eingriffsschwellen in ihrem Strafrecht haben. „Ich wäre dann eher für Veränderungen im Strafprozessrecht als im Gefahrenabwehrrecht der Länder“, sagt Oetjen. Die FDP will erreichen, dass eine Regierungskommission aus Ministerialbediensteten und Fachleuten berät, wie auf der Basis des geltenden Rechts die Kooperation von Polizei und Verfassungsschutz verändert werden kann – und zwar auf Basis der Erkenntnisse, die in der vergangenen Wahlperiode der Untersuchungsausschuss zum Islamismus zutage gefördert hat. Solange diese Kommission berät, sollten nach Ansicht der FDP die Pläne zur Reform des Polizeigesetzes auf Eis liegen. Dass Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in einem NDR-Interview erklärte, aus seiner Sicht seien keine Änderungen am Entwurf des Polizeigesetzes nötig, findet Oetjen „anmaßend“: „Das hat er geäußert, als die Anhörung der Interessengruppen im Landtag dazu noch nicht einmal abgeschlossen war.“