Wenn man die Kommunen ins Boot holen will, müssen wir uns auch ehrlich machen: Dann müssen wir auch die Finanzierung und die Verantwortungsstrukturen bekommen.
Jan Arning, Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages, sieht ebenfalls eine breite Problemlage, die mit dem „Versagen des Gesundheitssystems“ zu tun habe. Die Kommunen stünden am Ende einer Versagens-Kette, könnten es aber selbst nicht beeinflussen, weil sie an den strukturellen Entscheidungen nicht beteiligt seien und auch keine Finanzverantwortung hätten. „Wenn man die Kommunen ins Boot holen will, müssen wir uns auch ehrlich machen: Dann müssen wir auch die Finanzierung und die Verantwortungsstrukturen bekommen“, sagte Arning.
Er kann sich zum Beispiel eine kommunale Bedarfsplanung für die stationäre Pflege vorstellen. Auch Andrea Hanke von der Region Hannover meint, die Kommunen müssten sich engagieren. So fänden Menschen in Seniorenpflegestützpunkten Beratung und Unterstützung. „Bis 2030 leben in der Region über 51.000 Menschen, die dann über 85 Jahre alt sind. Das entspricht der Größe der Stadt Langenhagen“, rechnete Hanke vor.
Wir kommen um einen Steueranteil bei der Deckung der Pflegekosten gar nicht herum.
Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann will die Kommunen bei der Planung künftig stärker in die Pflicht nehmen. Sie hat sich vorgenommen, die jährlichen Landespflegeberichte zu verbessern. Diese seien zwar sehr umfangreich, aber eher auf die Vergangenheit gerichtet. Teile der Daten seien schon bei der Erstellung des Berichts alt. „Der Bericht ist nicht geeignet, die Pflegeinfrastruktur planerisch zu konzipieren. Erste Voraussetzung für eine gute Versorgung ist aber eine gute Planung“, erklärte Reimann. Die Kommunen wüssten zwar genau, wo es Bedarfe und Kapazitäten gebe, die örtlichen Berichte seien aber qualitativ und quantitativ sehr unterschiedlich. Die Sozialministerin erhofft sich an dieser Stelle eine bessere Zusammenarbeit mit den Kommunen, um zu einem guten Standard für alle zu kommen.
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Ministerpräsident Stephan Weil rief auf der Konferenz dazu auf, die Finanzierungssysteme der Pflege für die Zukunft zu rüsten. „Wir kommen um einen Steueranteil bei der Deckung der Pflegekosten gar nicht herum. Die Kosten werden künftig nicht nur die Versicherten und Pflegebedürftigen selbst schaffen können. Da wird auch die Gemeinschaft einen Teil tragen müssen“, sagte Weil. Die Selbstbeteiligung von Pflegebedürftigen dürfe nicht „in die Unendlichkeit gesteigert“ werden. „Das größte Problem haben wir durch den demographischen Wandel noch vor uns. In zehn Jahren werde die Situation noch einmal schwieriger.“
Auch Sozialministerin Carola Reimann sagte, es brauche schnell einen Steuerzuschuss in der Pflege. „Sie ist die einzige Sozialversicherung, die bisher ohne einen solchen Zuschuss auskommt.“ Zudem müsse der Eigenanteil begrenzt und die staatliche und private Pflegeversicherung zusammengelegt werden. „Insgesamt brauchen wir eine neue Balance zwischen Pflegebeitrag, Steuerzuschuss und Eigenanteil“, forderte Reimann.
Auch die überbordende Bürokratie in der Pflege wurde auf der Konferenz immer wieder angesprochen. Hauke Jagau, Präsident der Region Hannover, stellte den bürokratischen Aufwand in der Pflege in Frage. Jede Flüssigkeitsaufnahme müsse dokumentiert werden. „Diese Dokumentierung ist gut und hilfreich, aber ist sie auch leistbar? Darüber muss gesprochen werden.“ Weil sagte, Pflegekräfte berichteten ihm, dass Dokumentationen bis zu 40 Prozent ihres Alltags ausmachten. „Ich verstehe zwar, dass man auf Nummer sicher gehen will. Wenn ich mir allerdings vorstelle, ich müsste in 40 Prozent meines Berufslebens dokumentieren, was ich in den anderen 60 Prozent mache: ich würde wahnsinnig werden.“ Ließe sich der Anteil der Dokumentationen nur auf 20 Prozent reduzieren, wäre laut Weil schon viel Zeit gewonnen.