Bürgerbeteiligung bei der Energiewende: Das meinen Experten
Geht es um den Bau neuer Windkrafträder, einer Überlandleitung oder eines Feldes mit Sonnenkollektoren, so laden Verwaltung und Unternehmen gern zum Bürgerdialog, um Transparenz zu demonstrieren und Akzeptanz für ihr Vorhaben zu schaffen. Aus der Sicht niedersächsischer Forscher allerdings sind solche Veranstaltungen fast nie ein Dialog, bei dem die Sorgen und Bedenken der Betroffenen ernst genommen werden.
„Vor allem Begriffe wie ,Akzeptanz schaffen‘ signalisieren den Bürgern schon, dass das Projekt Nachteile haben wird, und zwar für sie“, sagt Frank Eggert, Professor für psychologische Methodenlehre an der Technischen Universität Braunschweig. Statt einen Dialog zu führen, versuchten die Initiatoren von Projekten, die Bedenken der Skeptiker zu zerstreuen und für ihre Sache zu werben – am besten mit moralischen Argumenten. „Im Umweltbereich kommt das besonders häufig vor“, sagt Eggert. Doch das tatsächliche Verhalten eines Menschen werde nicht in erster Linie durch Rationalität gesteuert. Argumente wie „Das ist gut für die Umwelt“ und „Es ist ein Vorteil für die lokale Wirtschaft“ klängen nur so lange einleuchtend, bis das permanent summende Windrad vor dem eigenen Garten gebaut werden soll. „Wenn es zwischen Initiator und Betroffenem kein Vertrauen oder eine gemeinsame Überzeugung gibt, wird es immer Widerstand geben“, sagt Eggert.
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Auch Urte Brand vom Institut für vernetzte Energiesysteme am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oldenburg ist der Auffassung, dass vor allem bei Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien viel von oben nach unten diktiert wird. Doch genau das sei falsch, wenn die Energiewende gelingen solle. „Die Akteure wie Wissenschaftler, Politiker und Energieversorger, sind immer noch viel zu sehr an der Technik orientiert“, sagt Brand. Das Vorhaben müsse in erster Linie technisch funktionieren, alles andere sei nebensächlich. „Doch für eine grundlegende Umstellung auf erneuerbare Energien muss auch der Wille dazu in der Bevölkerung da sein.“
Es ist selten, dass die Wünsche und normativen Vorstellungen der Bürger tatsächlich Einfluss auf den Projektplanungs- und Umsetzungsprozess nehmen.
Aber wie lässt sich das erreichen? Eggert zufolge nur mit tatsächlicher Transparenz. „Man muss ein Vertrauensverhältnis aufbauen, durch Taten und durch echten Dialog.“ Dazu gehöre auch, dass die Vor- und Nachteile für jede Seite öffentlich gemacht würden. „Es wird sich immer stark auf den Bürger fokussiert und die Vor- und Nachteile der Projekte für die Bevölkerung“, sagt Eggert. Doch der Bürger sei ja nicht der einzige Akteur. Er trete vielmehr den Akteuren aus Verwaltung und Unternehmen entgegen. „Diese ziehen auch Vor- und Nachteile aus dem Projekt. Welche das sind, muss offengelegt werden, wenn die Bevölkerung wirklich Vertrauen in das Projekt und seine Initiatoren entwickeln soll“, sagt Eggert. Doch die Kosten und Gewinne für das Energieunternehmen und die Verwaltung würden fast nie öffentlich gemacht.
Brand fehlen zudem die gemeinsamen Leitbilder in den meisten Bürgerbeteiligungen. „Es ist selten, dass die Wünsche und normativen Vorstellungen der Bürger tatsächlich Einfluss auf den Projektplanungs- und Umsetzungsprozess nehmen“, sagt sie. Doch genau das sei nötig, damit die Bürger ein Projekt mittrügen. Es gehe andererseits aber auch nicht darum, sich den Argumenten der Bürger zu beugen und ihre Vorstellungen nur zu übernehmen. „Energieversorger, Verwaltung und Bürgerschaft müssen sich zusammensetzen und gemeinsam Leitbilder und Maßnahmen erarbeiten.“ Sie könne nachvollziehen, dass das vielen Projektträgern zu aufwendig ist. „Ein solcher Leitbildprozess ist mit viel Aufwand verbunden; er kostet Geld und Zeit und muss professionell moderiert werden“, sagt Brand. Doch langfristig gesehen führe kein Weg daran vorbei, wenn ein Projekt erfolgreich umgesetzt werden soll.