Der Europäische Gerichtshof in Straßburg hat am Donnerstag geurteilt, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen Naturschutzvorgaben der Europäischen Union verstößt. Das Gericht gab damit der EU-Kommission Recht, die im Februar 2021 entschieden hatte, Deutschland in dieser Angelegenheit zu verklagen (wir berichteten). Es geht dabei um die Umsetzung der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. Laut Urteilsspruch seien 88 von insgesamt 4606 Gebieten nicht ausgewiesen worden, sowie für 737 Gebiete nicht die nötigen Erhaltungsmaßnahmen festgelegt worden.

Niedersachsen muss mehr für den Schutz der Natur tun. | Foto: Kleinwächter

Strafzahlungen drohen nun allerdings erst, wenn die Bundesrepublik dem am Donnerstag gefällten Urteil nicht nachkommt. Noch hat die EU-Kommission keine Strafzahlungen beantragt. Sollte sie diesen Schritt allerdings wählen und das Vertragsverletzungsverfahren damit weiter eskalieren lassen, könnte es ganz schnell gehen. Dann hätte der Gerichtshof die Möglichkeit, finanzielle Sanktionen entsprechend der Dauer und Schwere der Vertragsverletzung und der Zahlungsfähigkeit des Mitgliedstaats zu verhängen – was in diesem Fall hoch ausfallen dürfte. Diese Kosten, ein Pauschalbetrag oder ein tägliches Zwangsgeld, könnte die Bundesrepublik schließlich an jene Bundesländer weiterreichen, die für das Verschulden verantwortlich sind – etwa Niedersachsen, wo zumindest zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch bei 33 von 352 Habitat- und 26 von 77 Vogelschutzgebieten Mängel festgestellt worden waren.

„Berechtigtes Urteil für die Versäumnisse der Vergangenheit.“

Auf Rundblick-Nachfrage teilte das niedersächsische Umweltministerium am Donnerstagnachmittag mit, dass die in Rede stehenden 88 FFH-Gebiete „Bestandteil der 385 FFH-Gebiete umfassenden niedersächsischen FFH-Gebietskulisse“ seien. Ferner wurde erklärt, dass mit dem Urteil zu rechnen gewesen sei, „denn Niedersachsen hatte zum für die Klage einschlägigem Zeitpunkt noch nicht alle FFH-Gebiete rechtlich gesichert und auch nicht für alle Gebiete Erhaltungsmaßnahmen festgelegt. Dabei ist es für das Urteil unerheblich, dass Niedersachsen dies während des laufenden Gerichtsverfahrens weitestgehend nachgeholt hat.“

Es sei nun aber festzustellen, „dass die Sicherung der niedersächsischen FFH-Gebiete, inklusive der Festlegung von Erhaltungszielen bis auf ein Gebiet – dessen Löschung im Raume steht – inzwischen abgeschlossen ist und für lediglich zwei FFH-Gebiete noch Managementmaßnahmen zu entwickeln sind. Diese Arbeiten sollen zeitnah abgeschlossen werden.“ Betroffen seien die FFH-Gebiete „Steinhuder Meer (mit Randbereichen)“ und der „Drömling“. Umweltminister Christian Meyer (Grüne) nannte die Entscheidung in Straßburg deshalb im Rundblick-Gepsräch ein „berechtigtes Urteil für die Versäumnisse der Vergangenheit.“



„Das Urteil des Verfahrens war mehr als erwartbar“, kommentierte Nabu-Landeschef Holger Buschmann frühzeitig die Entscheidung des EuGH. „Auch wenn Niedersachsen in den letzten Jahren versucht hat, bei der Ausweisung der Schutzgebiete nachzubessern, ist dies bis heute nicht vollständig gelungen. Die fehlenden konkreten Erhaltungsziele und vor allem verbindliche konkrete Maßnahmen zum Schutz der Arten und Lebensräume sind in den meisten Managementplänen, wenn sie denn überhaupt vorliegen, kaum zu finden. Während andere Länder bereits mit den Umsetzungsfragen beschäftigt sind, ist im Großteil Niedersachsens erst jetzt damit begonnen worden.“