18. Juni 2020 · 
Bildung

Erstattet das Land die Storno-Kosten für alle Schulen?

Von Niklas Kleinwächter Die Erleichterung bei Schulleitern, Lehrern und Eltern war groß, als Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) kürzlich erklärte, das Land werde die Stornokosten für die aufgrund der Corona-Pandemie abgesagten Klassenfahrten übernehmen. Rund 20 Millionen Euro hat der Minister dafür veranschlagt. Doch offenbar gibt es bei der Abrechnung nun einige Schwankungen und Unsicherheiten. Für die 2727 öffentlichen Schulen in Niedersachsen scheint die Übernahme fest geregelt zu sein – ob aber auch die Schulen in freier Trägerschaft Unterstützung erhalten, ist bis heute ungeklärt. Gabriele Joachimmeyer, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft freier Schulen in Niedersachsen (AGFS), bemängelt im Rundblick-Gespräch eine ihrer Meinung nach absehbare Ungleichbehandlung. Es habe die politische Zusage gegeben, dass Eltern von Kindern an freien Schulen nicht anders behandelt werden sollen. Allerdings habe sich die Zusage des Kultusministers zur Kostenübernahme nur auf die „angemeldeten Kosten“ bezogen, erklärt Joachimmeyer. „Die freien Schulen konnten aber bislang gar keine Kosten anmelden, weil sie nicht in dem entsprechenden Verteiler der Landesschulbehörde waren.“
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Noch hofft man bei der AGFS, dass im Ministerium nur nach einer passenden Form gesucht wird, wie die Auszahlung ermöglicht werden kann. Doch zurzeit säßen die Schulleiter der freien Schulen „auf einem heißen Stuhl“, so Joachimmeyer. „Die Veranstalter rufen an und gehen davon aus, dass die Schulen ja das Geld erstattet bekommen. Deshalb sollen sie nun die Stornogebühren zahlen.“ Doch die freien Schulen sind von dieser Sicherheit aktuell noch ausgenommen. FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling fordert, hier nachzubessern und auch die Schulen in freier Trägerschaft zu berücksichtigt. „Auch deren Schüler mussten auf Klassenfahrten verzichten durch die Entscheidung des Landes, und es kann nicht sein, dass sie jetzt auf den Kosten sitzen bleiben.“ Auch in der CDU-Fraktion sei man dafür, die freien und die öffentlichen Schulen gleich zu behandeln, erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Mareike Wulf gegenüber dem Politikjournal Rundblick. Der Kultusminister müsse das nötige Geld dafür allerdings in seinem eigenen Haushalt aufbringen, so Wulf. Aus dem Kultusministerium hieß es am Donnerstagabend, man prüfe, wie auch bei den freien Schulen eine Übernahme ermöglicht werden könne. https://www.youtube.com/watch?v=DnONChMNCfM&t=1s Bis Ende April haben 2000 von 2727 Schulen ihre Stornokosten für abgesagte Klassenfahrten an die Landesschulbehörde übermittelt, wie aus einer Antwort des Kultusministeriums auf eine Anfrage der FDP-Politiker Sylvia Bruns, Björn Försterling, Susanne Schütz und Jörg Bode hervorgeht. Zusammengerechnet sind dabei Kosten in Höhe von 10,6 Millionen Euro angegeben worden. Nach einer Hochrechnung geht man im Kultusministerium von insgesamt 14,4 Millionen Euro für alle öffentlichen Schulen aus. Betroffen seien von den abgesagten Klassenfahrten nach bisherigen Angaben 195.335 Schüler. Verrechnet man die bisher gemeldeten Gesamtkosten mit den Schülerzahlen, kommt man im Schnitt auf 54 Euro pro Schüler, die das Land aufbringen will. Bei genauerer Betrachtung der Stornokosten fallen allerdings enorme Unterschiede auf. Die höchsten Stornokosten für eine gesamte Schule hat ein Gymnasium aus dem Landkreis Osnabrück gemeldet. Dort kommt man zusammengerechnet auf 199.500 Euro, die für abgesagte Klassenfahrten berappt werden müssen. Die geringsten Gesamtkosten pro Schule hat eine Grundschule aus demselben Landkreis gemeldet, dort sind nur Stornogebühren in Höhe von 25 Euro angefallen. Nun ließe sich zurecht einwenden, dass die Gesamtsumme in Relation zu den Schülerzahlen zu setzen wäre – ein Schulzentrum kommt natürlich auf höhere Ausgaben als eine kleine Dorfschule. Die höchsten Ausgaben pro Schüler hatte eine IGS aus Oldenburg. Dort sind bei nur zwölf betroffenen Schülern Stornokosten in Höhe von 18.192 Euro entstanden, was 1516 Euro pro Schüler entspricht. Vergleichbar hohe Kosten pro Kopf hatte noch eine Grundschule im Landkreis Stade. Dort haben 22 Schüler zusammen Stornokosten in Höhe von 19.611 Euro verursacht – also 891 Euro pro Schüler.

Haben die Schulen richtig gerechnet?

Doch Stimmen die Zahlen oder ist es vielleicht in den Schulen unbeabsichtigt zu falschen Berechnungen gekommen? FDP-Bildungspolitiker Försterling meint, dass den Schulen dabei klarere Angaben gemacht werden müssten: „Wichtig wäre, den Schulen auch mitzuteilen, wie die Stornokosten zutreffend zu berechnen sind und welche Forderungen gerechtfertigt sind.“ Unbeantwortet bliebe zudem die Frage, wer die Abwicklung übernimmt. „Schulleiter haben aktuell andere Herausforderungen zu meistern, als sich durch AGBs und Stornobedingungen zu wühlen“, erklärt Försterling auf Rundblick-Anfrage. Wie das Kultusministerium nun aber mitteilt, ist es doch die Aufgabe der Schulen, die Stornogebühren abzurechnen und vorab zu prüfen. Zur Erleichterung hat das Kultusministerium dazu am 11. Juni eine Checkliste und einen Leitfaden an die Schulen gegeben, aus denen zum Beispiel abzulesen ist, in welchen Zeiträumen aufgrund von offiziellen Reisewarnungen überhaupt keine Gebühren von den Reiseveranstaltern erhoben werden dürften. Offenbar ist es aufgrund von Unsicherheiten in genau dieser Frage bereits zu Fehleinschätzungen gekommen. Auf Rundblick-Anfrage berichtet die Rektorin der Alice-Salomon-Berufsschule in Hannover, dass die im April gemeldeten Kosten so nun gar nicht mehr stimmten. Sabine Sahling erklärt, sie habe damals zunächst eine hohe Summe angegeben, weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt gewesen sei, wie die Reiseanbieter damit umgehen. Die Alice-Salomon-Berufsschule hatte zuerst Stornokosten in Höhe von 25.000 Euro bei 40 betroffenen Schülern gemeldet. Weil es sich bei den Reisen um Erasmus-Programme handelt, die ins Ausland führen, lagen die Reisekosten sehr weit oben. Doch mittlerweile haben einige Anbieter erklärt, etwa für abgesagte Übernachtungen keine Stornokosten zu erheben. Nach Angaben von Rektorin Sahling entstünden nun nur noch Kosten in Höhe von rund 2000 Euro für ein Austauschprogramm mit Israel – also 23.000 Euro weniger als zunächst veranschlagt. Sollte sich das Beispiel aus der hannoverschen Berufsschule auch noch bei anderen Schulen wiederholen, könnte sich die Finanzierungslage im Kultusministerium womöglich doch noch entspannen. Bildungsexperten gehen davon aus, dass für die freien Schulen zusätzlich 1,2 bis 1,5 Millionen Euro an Stornokosten anfallen könnten.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #115.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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