Was müssen junge Frauen bedenken, wenn sie sich in einer von Männern dominierten Berufswelt durchsetzen wollen? Für Ariane Reinhart, Mitglied im Konzernvorstand der Continental AG, ist klar: Zurückhaltung ist nicht mehr angebracht. „Früher hat man mir den Ratschlag gegeben, dass ich mich zurücknehmen und nicht mehr ‚Nein‘ sagen soll. Diesen Tipp kann ich nicht mehr hören“, erzählte die Vorständin bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Gleichberechtigung auf der Ideen-Expo. „Als Frau im Vorstand muss man eine Meinung haben – und die muss man auch artikulieren.“ Als sie 2014 in den Vorstand von Continental gekommen ist, war sie die einzige Frau neben acht Männern. „Da muss man sich schon positionieren, auch wenn einem das Wort mal abgeschnitten wird“, sagte Reinhart und ergänzte sofort, dass sie Vorstandskollegen gehabt habe, die ihr durchaus Platz gelassen hätten.

In der Talkrunde „Mein Weg zum Erfolg“ verraten Powerfrauen, wie sich Mädchen und Frauen auch in männerdominierten Berufswelten durchsetzen können. | Foto: Kleinwächter

Als Frau solle man zudem keine Angst haben, sich mit den männlichen Kollegen zu messen. Ganz praktisch habe sie das gerade erst auf der Ideen-Expo getan, erzählte Reinhart. Auf dem Conti-Stand habe sie ihren Chef im „Hau den Lukas“ geschlagen: „Da kommt es nämlich auf die Technik an und nicht auf die Kraft allein.“ Eine ähnliche Erfahrung hat auch Nina Englert gemacht, wie sie berichtete. Die Leiterin der BMW-Niederlassungen in Bremen, Göttingen und Hannover sagte, sie habe sich damals ihren Chef angeschaut und dabei festgestellt: „Was der kann, kann ich auch.“

Behrens: Verbündete sind äußerst wichtig

Niedersachsens Sozial- und Gleichstellungsministerin Daniela Behrens (SPD) kann der Grundaussage von Ariane Reinhart durchaus zustimmen. „Zurückhaltung müssen wir Frauen dringend aufgeben“, erzählte sie im Podiumsgespräch mit Rundblick-Redakteurin Audrey-Lynn Struck. Die Ministerin würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen, man müsse als Frau sogar „renitent“ sein, um sich durchzusetzen. Außerdem, so Behrens, müsse man sich Verbündete suchen, wenn man etwas umsetzen möchte, und zwar „Frauen, aber auch Männer!“

Dabei zitierte sie die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright, die gesagt habe, in der Hölle sei ein spezieller Ort für Frauen reserviert, die anderen Frauen nicht geholfen haben. Dieser Forderung schloss sich auch Amelie Reigl, Doktorandin und Wissenschafts-Influencerin, an: „Frauen sollen Frauen unterstützen: Baut Netzwerke auf“, appellierte sie, die in ihrem Biologie-Studium mehr mit weiblichen Kommilitonen zu tun hatte als mit männlichen.

Tischlerinnen sind schwieriger zu finden als Juristinnen

Wenn es um die Berufswahl geht, rieten die Frauen auf dem Podium den Mädchen im Publikum, sich Zeit zu lassen und Gelegenheiten wie die Ideen-Expo zu nutzen, um herauszufinden, welche Möglichkeiten es gibt. „Friseurin, Arzthelferin oder Bürokauffrau sind noch immer die Berufe, die junge Frauen angeben, wenn man sie nach ihren beruflichen Vorstellungen fragt. Dabei gibt es so viele andere tolle Berufe für Frauen“, sagte Ministerin Behrens. Hinzu komme, ergänzte Nina Englert von BMW, dass sich die Tätigkeit der Bürokauffrau bald komplett digitalisieren lasse. Zudem sei es heute einfacher, einen Juristen zu finden, als einen Tischler.

Englert wirbt deshalb für Berufe im Handwerk oder in der Industrie, weil diese gebraucht würden und eine längerfristige Perspektive böten. Emily Kubba hat genau diesen Weg beschritten. Die junge Frau macht gerade eine Ausbildung zur Tischlerin – ein Beruf, den auch schon ihr Vater und ihr Großvater ausgeübt haben. Ihr Vorbild ist allerdings ihre Schwester, die vor ihr die Ausbildung gemacht hat. Für Kubba steht fest, dass es mehr weibliche Vorbilder und eine Ansprache von Frau zu Frau braucht, um mehr Frauen in technische Berufe zu bringen.

Einig sind sich die Frauen auch darin, dass man vor allem Spaß haben muss an dem, was man macht. „Ich habe Jura studiert, weil es mir gefallen hat, ich wollte aber nie Juristin werden“, sagte Reinhart von Continental, die jetzt seit 30 Jahren im Personalwesen tätig ist. Inzwischen sei die Berufswelt anders, da habe man locker zwei bis drei unterschiedliche Jobs im Leben, fügte sie an. Außerdem bittet sie genau wie Influencerin Reigl die jungen Frauen, Frau zu bleiben und nicht zu versuchen, Männer zu kopieren. „Man nannte mich die ‚Barbie der Automobilindustrie‘, weil ich gerne rosa trage. Das lasse ich mir aber nicht nehmen“, sagte Reinhart.

„Herausforderungen sind meist zeitlich befristet“

Doch auch, wenn es nicht immer ein Zuckerschlecken ist, solle man durchhalten, rät Anja Heine, die bei Volkswagen in Wolfsburg für Weiterbildung zuständig ist. „Herausforderungen sind meist zeitlich befristet. Da gilt es durchzuhalten. Meine Erfahrung ist, dass es meist länger dauert, zu verarbeiten, wenn man etwas abgebrochen hat, als es einfach durchzuziehen.“ Doch allen jungen Menschen, die auf der Suche nach dem passenden Beruf sind, gab Ministerin Behrens auch noch beruhigend mit auf den Weg: „Man muss mit acht noch nicht wissen, was man mit 40 machen will.“