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Doch dieses Ansinnen ist schwer umzusetzen, denn auch in der niedersächsischen Koalition prallen verschiedene Ansichten aufeinander. Dabei werden die Rahmenbedingungen brisanter: Erst im September hatten die Niederländer den schnelleren Ausstieg aus der Erdgasförderung in der Provinz Groningen beschlossen – 2022 und nicht, wie bis dahin geplant 2030, soll die Ausbeute enden. Das wiederum hat deutsche Energieversorger wie EWE alarmiert, da drei Millionen Haushalte in Norddeutschland bisher Groninger Gas erhalten. Die Holländer begründen ihren Schritt mit den Erdbeben, allerdings sind diese in Groningen weit schlimmer und viel häufiger als in Niedersachsens Fördergebieten.
Erdgasförderung - als nationale Reserve
Aus dem Wirtschaftsministerium in Hannover heißt es, die Erdgasförderung sichere hierzulande 8300 Arbeitsplätze, während der Energiewende brauche man noch mindestens zehn Jahre Erdgas als Übergangstechnologie – auch als „als nationale Reserve“, da sich 94 Prozent des deutschen Erdgases auf niedersächsischem Gebiet befänden, wie Minister Bernd Althusmann vor dem Landtag erklärte. Gleichwohl sind in den Kreisen Verden, Rotenburg, Vechta und Diepholz viele Bürgerinitiativen aktiv, und mit der Erdgasförderung gehen verschiedene Besorgnisse einher, das Erdbeben ist nur eines. Nach der Häufung von Krebsfällen in Rotenburg wurde ein Zusammenhang zu den Bohrungen vermutet, aber nicht belegt. Auch über Trinkwasserbeeinträchtigungen wurde debattiert. Da kausale Zusammenhänge zu Schäden oder Gefahren auch hier nicht zweifelsfrei festgestellt wurden, könnte ein Stopp der Förderung – wie in Groningen geschehen – hierzulande hohe Entschädigungsforderungen der Erdgasindustrie nach sich ziehen.Will die Erdgas-Industrie Umweltverträglichkeitsprüfungen umgehen?
Doch hier droht sich der Konflikt zuzuspitzen: In den Koalitionsfraktionen von SPD und CDU werden die Stimmen derer lauter, die zumindest in Trinkwasserschutzgebieten (das ist ein Drittel der Förderfläche) eine verpflichtende „Umweltverträglichkeitsprüfung“ (UVP) verlangen. Staatskanzlei und Wirtschaftsministerium, die im Kontakt mit der Erdgasindustrie stehen, reagieren darauf bisher hinhaltend. Womöglich hängt das noch mit einem anderen Thema zusammen, der Förderabgabe. In diesem Jahr kassiert das Land von den Erdgasunternehmen 135 Millionen Euro, das ist eine Abgabe von 29 Prozent auf den Marktpreis. Nach einem Bundesverwaltungsgerichtsurteil von 2018 wären aber nur zehn Prozent angemessen, und in einem vertraulichen Gespräch trafen sich Ministerpräsident, Wirtschafts- und Finanzminister und die Gasindustrie Anfang November.