21. Nov. 2023 · Wirtschaft

Elektrobus-Vorreiter Goslar droht bei der Antriebswende um Jahre zurückzufallen

Beim Umstieg auf Elektromobilität hat die Stadtbus Goslar GmbH einen rasanten Start hingelegt: Drei von 18 Fahrzeugen werden bereits mit Strom anstatt mit Diesel angetrieben. „Damit sind 17 Prozent der Busflotte elektrifiziert“, rechnet Geschäftsführerin Anne Sagner vor. Doch viel mehr ist bis auf Weiteres nicht drin, die Anschaffung zusätzlicher Elektrobusse scheitert an den Kosten.

Anne Sagner leitet seit Anfang 2020 die Stadtbus Goslar GmbH. Das städtische Tochterunternehmen hat 50 Mitarbeiter und einen Fuhrpark mit insgesamt 18 Bussen. | Foto: Stadtbus Goslar

Mit durchschnittlich 500.000 Euro pro Stück ist ein elektrisch angetriebener Stadtbus fast doppelt so teuer wie ein herkömmliches Dieselfahrzeug und liegt damit jenseits dessen, was sich ein mittelständischer Verkehrsbetrieb aus eigener Kraft leisten kann. Durch die Kombination von Landes- und Bundesfördermittel schaffte die 50.000-Einwohner-Stadt im Harz trotzdem den Einstieg in die Antriebswende. „Das Projekt wurde nur deswegen umsetzbar, weil uns 63 Prozent der Anschaffungskosten bezuschusst wurden“, verrät Sagner. Doch neue Förderanträge werden immer seltener bewilligt, die Bundesregierung zieht sich offenbar aus der Omnibusförderung zurück. Das Ziel der Ampelkoalition, dass bis 2030 die Hälfte der ÖPNV-Stadtbusse elektrifiziert sein soll, gerät damit nicht nur in Goslar ins Wanken.

„Wir haben uns in den letzten zwei Jahren um weitere Bundesförderungen beworben, waren aber nicht erfolgreich. Das bringt uns in arge Bedrängnis“, sagt Stadtbus-Chefin Sagner. Bis einschließlich 2027 ist über die Landesförderung von 40 Prozent hinaus kein weiterer Zuschuss in Sicht. Und der städtische Verkehrsbetrieb aus der Kaiserstadt ist mit diesen Sorgen nicht allein. Von allen Verkehrsunternehmen, die in der dritten Runde der Elektrobus-Förderungen einen Zuschuss beantragt haben, können derzeit nur 23 mit einer Zusage rechnen. „140 Verkehrsunternehmen erhielten eine Absage“, antwortete Staatssekretärin Daniela Kluckert aus dem Bundesverkehrsministerium kürzlich auf eine Anfrage der CDU im Bundestag.

Die Union findet dieses Zahlenverhältnis desaströs. „Die Ampel fährt die E-Bus-Förderung der unionsgeführten Vorgängerregierung vor die Wand. Gerade die mit über 50 Prozent der Fahrzeuge so wichtigen mittelständischen Busbetriebe fallen bei der aktuellen Vergabepraxis hinten runter“, schimpfte der CDU-Bundestagsabgeordnete und Busexperte Henning Rehbaum aus Waren in NRW. Zusammen mit seinem Fraktionskollegen Michael Donth aus Baden-Württemberg erwartet er von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) jetzt die Zusage, dass die „ins Schaufenster gestellten 1,75 Milliarden Euro für die Busflotten“ auch tatsächlich bereitstehen. „Andernfalls werden nach Aufgaben wegen des 49-Euro-Tickets, den weiterhin hohen Energiekosten und dem Fahrermangel noch mehr Busunternehmen ihren Betrieb aufgeben“, sagte Donth.

Kämpfen für eine bessere Bus-Förderung: Henning Rehbaum und Christiane Leonard bei einem Parlamentarischen Abend des BDO in Berlin. | Foto: BDO

Ähnlich brisant bewertet auch der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) die Lage. „Eigentlich hatte der Busmittelstand darauf gebaut, dass er nach der Marktaktivierung und Förderung großer Bestellmengen jetzt zum Zug kommt. Stattdessen sieht es so aus, als ob sie im Regen stehen gelassen werden“, schrieb BDO-Hauptgeschäftsführerin Christiane Leonard in einem Brandbrief an die Bundesregierung. Sie befürchtet, „dass die Fahrzeug-Mehrkosten bei angespannter Haushaltslage durch Angebotseinschränkungen ausgeglichen werden“ und die Bundesregierung damit einen „Bärendienst für die Verkehrswende“ leiste.

„Es wäre besser gewesen, man hätte sich auf eine Antriebswende und eine Angebotserweiterung anstatt auf das Deutschlandticket konzentriert“, sagt Holger Kloth, Landesgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) für Niedersachsen, im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Durch das 49-Euro-Ticket habe sich die Unterfinanzierung des öffentlichen Busverkehrs nur noch mehr verschlimmert. „Das Defizit wird größer. Wir stehen unter großem Stress, überhaupt den bisher erreichten Stand zu halten“, berichtet Kloth und ergänzt: „Wir können das eigentlich nur dadurch kompensieren, dass wir uns die Kostenseite angucken und dann geht es letzten Endes nur mit Angebotseinschränkungen.“ Der Appell des VDV-Landeschefs lautet daher: „Die Politik muss sich ehrlich machen. Entweder sie legt mehr Geld auf den Tisch oder sie gibt zu, dass es mit den Klimazielen im Verkehrsbereich wohl doch nichts wird.“

In Goslar sollte eigentlich bis 2029 die Hälfte der Stadtbusse einen Elektromotor haben, doch dieses Ziel wird immer schwieriger zu erreichen. „Jedes nicht umgesetzte Elektrofahrzeug verzögert es um ein Jahr“, sagt Stadtbus-Geschäftsführerin Sagner. Aufgrund der Förderabsagen musste ihr Unternehmen sogar schon einen alten Dieselbus durch einen Diesel-Hybrid-Bus ersetzen, weil man nicht mehr länger auf ein Elektrofahrzeug warten konnte. „Wir reden hier über Fahrzeuge, die – wenn wir sie ausmustern – 16 oder 17 Jahre alt sind“, erklärt Sagner.

Drei Elektrobusse fahren inzwischen durch Goslar. Die Fahrzeuge verfügen über eine Reichweite von 300 Kilometer und werden nachts im Stadtbus-Depot aufgeladen. | Foto: Stadtbus Goslar/www.filmpunktton.de

Absurderweise ist es offenbar der eigene Erfolg, der den Goslarern zum Verhängnis wird. Die neuen Förderrichtlinien des Bundes würden nämlich gerade die Verkehrsbetriebe benachteiligen, die bereits mindestens 10 Prozent ihrer Busflotte elektrifiziert haben. „Man bestraft die Unternehmen, die in die Verantwortung gegangen sind“, ärgert sich die Stadtbus-Chefin. An der Antriebswende in Goslar will sie trotzdem weiterhin mit Nachdruck arbeiten und nicht nur deswegen, weil die EU in ihrer Clean Vehicles Directive (CVD) entsprechende Vorgaben macht.

Die Erfahrungen mit den Elektrobussen, die seit Mai 2022 durch Goslar rollen, sind gut. „Wir erhalten sehr positive Rückmeldungen von den Kunden und auch von unseren eigenen Fahrern“, sagt Sagner und fügt hinzu: „Für Goslar sind die Elektrobusse ein absoluter Mehrwert. Sie sind leise und emissionsarm und das System lässt sich im Stadtverkehr wunderbar umsetzen.“ Aufgrund der etwas geringeren Reichweite werden jedoch mehr Elektrobusse als Dieselbusse benötigt, die Quote liegt bei 1 zu 1,2 Fahrzeugen. Zudem lasse sich die Anschaffung nur durch eine Förderquote von mindestens 60 Prozent finanzieren. „Und selbst dann ist es mit einem sehr hohen Investitionsvolumen für die Kommune verbunden“, meint Sagner.

Sie hofft nun darauf, dass die fehlenden Bundesmittel durch einen anderen Fördertopf ersetzt werden können. Die Stadtbus GmbH will sich auf Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) bewerben. Sagner: „Das ist zwar ein unheimlicher bürokratischer Aufwand, sich in die Förderrichtlinien einzuarbeiten. Aber ich mag mir im Moment nicht ausmalen, was passiert, wenn wir auch ab 2028 keine Förderung mehr bekommen.“


Dieser Artikel erschien am 22.11.2023 in Ausgabe #203.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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