Soll die bisherige Regel, an allen vier Adventssonntagen die Geschäfte nicht öffnen zu dürfen, aufgehoben werden? Nach Hinweisen der Gewerkschaft Verdi, die gegenüber dem Politikjournal Rundblick aus Koalitionskreisen bestätigt wurden, reifen entsprechende Überlegungen bei den für das Ladenschlussgesetz zuständigen Sozialpolitikern der Großen Koalition.

Doch die Absichten stoßen auf harschen Widerspruch – von Verdi und von der Konföderation der evangelischen Kirchen in Niedersachsen. „Wir lehnen die Öffnung der Geschäfte an Adventssonntagen strikt ab“, betont Oberlandeskirchenrätin Andrea Radtke von den evangelischen Kirchen. „Wir werden dagegen vehement protestieren und alles versuchen, dass es hier nicht zu einem Dammbruch kommt“, betont Sabine Gatz, Fachbereichsleiterin für den Handel bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.

Eigentlich hatten Kirchen und Gewerkschaften darauf vertraut, dass die Große Koalition am Schutz der Adventssonntage festhalten will. Schon bisher sieht das Gesetz das Verkaufsverbot an den vier Sonntagen vor Weihnachten vor, und mit ihrer Novelle wollten SPD und CDU daran ursprünglich auch gar nicht rütteln. Sogar der Gesetzesvorschlag der FDP, die immer betont die Interessen der Einzelhandelsunternehmen unterstützt, sah eine Öffnung an dieser Stelle nicht vor. Bevor dann Mitte November die Interessensverbände, Gewerkschaften und Kirchen zur geplanten Reform des Ladenöffnungsgesetzes im Sozialausschuss Stellung nahmen, lobte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister das Vorhaben grundsätzlich – auch wegen der Garantie des Sonntagsschutzes.

Die Adventszeit ist eine besinnliche Zeit, und die Sonntage geben die Möglichkeit, mit den Familien zusammenzukommen, Konzerte oder andere in der Adventszeit besondere Veranstaltungen zu besuchen.

In der Anhörung im Ausschuss wurde dann aber vorgetragen, dass andere Länder wie Nordrhein-Westfalen oder Berlin das Tabu der Adventssonntage längst nicht so strikt beachten wie Niedersachsen. Dies ließ offenbar einige Fachpolitiker aus der Großen Koalition zu dem Schluss kommen, man könne das Verkaufsverbot an Adventssonntagen ein wenig lockern – zumindest bezogen auf einen der vier in Betracht kommenden Sonntage. Dies ist allerdings nur ein Zwischenstand. Ob es tatsächlich zu der Lockerung kommt, entscheiden am Ende die Fraktionen von SPD und CDU, wenn sie die Änderung des bisherigen Gesetzentwurfes verabschieden.

Vor diesem Termin machen Gewerkschaften und Kirchen nun Druck. Radtke sagt im Rundblick-Gespräch, die Öffnung der Geschäfte an den Adventssonntagen „befördert eine weitere Kommerzialisierung der Adventszeit“. Das diene allein dem Umsatzinteresse der Geschäfte – und sei deshalb auch nicht verfassungsgemäß. Das Bundesverfassungsgericht habe nämlich geurteilt, dass die Steigerung von Unternehmensumsätzen kein Argument sein dürfe für die Erlaubnis zur Öffnung der Geschäfte am Sonntag. Wenn man aber bedenke, dass sich der Wunsch nach unversperrten Läden an Adventssonntagen lediglich auf diejenigen beziehe, die Weihnachtsgeschenke erwerben sollen, dann werde das Umsatzinteresse als einzige Triebfeder für diese Forderung überdeutlich – und damit auch die verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit.


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„Die Adventszeit ist eine besinnliche Zeit, und die Sonntage geben die Möglichkeit, mit den Familien zusammenzukommen, Konzerte oder andere in der Adventszeit besondere Veranstaltungen zu besuchen“, betont Radtke. Sabine Gatz von der Gewerkschaft Verdi ergänzt, mit verkaufsoffenen Adventssonntagen würde „der letzte noch verbliebene Schutz der Vorweihnachtszeit geopfert“. Schon heute sei es so, dass die Öffnungszeiten der Geschäfte von montags bis sonnabends im Dezember ausgereizt würden, dass die Mitarbeiter im Einzelhandel extrem gefordert seien. Wenn jetzt auch noch ein oder mehrere Sonntage im Advent hinzukämen, fehle die Zeit zum Durchatmen und zur Besinnlichkeit vor Weihnachten völlig. Es sei eine „unzumutbare Belastung“ für die Mitarbeiter, wenn man den Druck nun noch weiter erhöhe. Die Gewerkschaft Verdi werde sich „mit allem, was wir an Mitteln zur Verfügung haben“ gegen eine mögliche Kursänderung der Großen Koalition wehren.