9. Mai 2022 · 
Finanzen

Doch noch spendabel? Die Landesregierung muss über Mehrausgaben entscheiden

Jetzt wird's ernst für Reinhold Hilbers: Der Finanzminister muss die Schlussbilanz für das Haushaltsjahr 2021 ziehen. | Foto: CDU

Der Haushaltsplan für dieses und das nächste Jahr steht, die Positionen sind fest gefügt. Eigentlich gibt es keinen Spielraum mehr für zusätzliche Ausgaben des Landes – und da die Parteien sich zunehmend im Wahlkampfmodus befinden, werden Verständigungen über neue Projekte in der SPD/CDU-Koalition auch immer schwieriger. Dennoch steht in dieser oder der kommenden Woche eine Festlegung über Mehrausgaben an. Der Grund dafür ist der sogenannte „Jahresabschluss für 2021“, der quasi eine Schlussbilanz der Haushaltswirtschaft für das vergangene Jahr darstellt.

Unterm Strich dürfte ein Betrag in dreistelliger Millionenhöhe übrig bleiben, dann der „Rücklage“ zufließen oder für neue Ausgaben verwendet werden dürfte. Wie hoch dieser Betrag genau ist, wird gegenwärtig als Top-Geheimnis im Finanzministerium verwahrt. Erst nach der grundsätzlichen Klärung in der Regierung soll der Kurs bekannt gegeben werden.

Anders als in anderen Ländern wird die Schlussbilanz für ein abgelaufenes Haushaltsjahr in Niedersachsen erst im April oder Mai gezogen – also bezogen auf 2021 in diesen Tagen. Dabei steht die schwierige Entscheidung an, welche Ausgaben und Einnahmen noch für das vergangene Jahr gebucht oder schon für 2022 vorgesehen werden. Schwieriger wird diese Festlegung noch wegen der Sonder-Vorschriften, die mit der Schuldenbremse im Zusammenhang stehen.

Schon Anfang Februar verkündete Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU), dass mit dem Haushaltsabschluss die Hälfte der konjunkturbedingten Kredite, die 2020 wegen der Konjunktureinbrüche nach der Corona-Krise aufgenommen wurden, wieder getilgt werden sollen. Das betrifft eine Summe von rund 730 Millionen Euro – 2020 war insgesamt ein Betrag an 1,4 Milliarden Euro an Konjunktur-Krediten aufgenommen worden.

Landesverfassung schreibt "vorrangige Tilgung" vor

Zu diesem Ausgleich ist das Land laut Hilbers sogar verpflichtet, Artikel 71 der Landesverfassung sieht eine „vorrangige Tilgung“ ausdrücklich vor. Nun ist aber fraglich, ob die Mehreinnahmen des Landes im vergangenen Jahr nicht weit über diesen Betrag hinausgehen. Eigentlich für 2021 geplante, neue Konjunktur-Kredite von 1,2 Milliarden Euro waren nicht nötig, da die Konjunktur 2021 weit besser lief als noch Ende 2020 erwartet. Die Frage ist nun, ob die Steuerquelle 2021 so reichlich sprudelte, dass der übrig gebliebene Betrag noch höher ist. Zum anderen geht es noch um die „Rücklage“ des Landes, die Hilbers ursprünglich im Haushalt 2021 verfrühstücken wollte. Ende 2020 hatte das Finanzministerium mitgeteilt, es handele sich um eine Summe von 488 Millionen Euro.

Nun gibt es verschiedene Varianten, wie die Große Koalition mit den Mehreinnahmen aus 2021 umgehen kann – die Tilgung der Konjunkturkredite könnte hoch ausgeweitet werden oder die bestehende Rücklage könnte noch stärker aufgefüllt werden (wogegen es wohl nach einem Urteil des hessischen Landesverfassungsgerichts Bedenken geben könnte, was aber wegen der Risiken im Zuge der Ukraine-Krise durchaus gerechtfertigt sein könnte). Die bestehende Rücklage, womöglich aufgestockt mit weiteren Mehreinnahmen, könnte aber auch für andere Projekte ausgegeben werden, mit einem einfachen Kabinettsbeschluss wäre das kurzfristig sogar möglich. Über mehrere Vorhaben wird gegenwärtig diskutiert:

Gehaltsaufbesserung für „kleine“ Beamte: Im bundesweiten Vergleich sind die Beamtenbezüge recht weit hinten, im Finanzministerium wird ein Konzept für eine Aufstockung überlegt. Noch gibt es aber kein wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das wird aber erwartet. Die Pensionäre beklagen, dass sie die Corona-Sonderzahlung nicht bekommen haben.

Polizei-Erschwerniszulage und Lehrergehälter: Die Polizeigewerkschaften sind verstimmt, weil ihre Rufe nach einer besonderen Zulage für schwere und belastende Fälle (etwa Streifendienste in bestimmten Gebieten oder Analyse von Kinderpornografie) bisher ungehört blieben. Mehrere Lehrergewerkschaften verlangen die Anhebung der Gehälter von Grund-, Haupt- und Realschullehrern auf mindestens A13.

Gegenfinanzierung der Wasserstoff-Projekte: Für mehrere Wasserstoff-Projekte, unter anderem in Wilhelmshaven, leistet der Bund eine kräftige Finanzierung in Höhe von mindestens 70 Prozent. Gleichzeitig erwartet er einen Eigenanteil der Länder, in Niedersachsen könnte dieser – über mehrere Jahre gestreckt – bei 770 Millionen Euro liegen. Bisherige Appelle an den Bund, den besonders von der Energiewende belasteten norddeutschen Ländern stärker entgegenzukommen, wurden noch nicht berücksichtigt.

Dieser Artikel erschien am 10.5.2022 in Ausgabe #087.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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