Landeswahlleiterin Ulrike Sachs hat gestern im Rechtsausschuss des Landtags einen Startschuss gegeben für eine Debatte, die lang und heftig werden dürfte: Mindestens zwei Landtagswahlkreise müssen neu zugeschnitten werden, bevor spätestens im Frühjahr 2021 die konkreten Vorbereitungen für die nächste Landtagswahl beginnen können.

Einbeck: Hier gibt es zu wenig Wahlberechtigte – Foto: igmarx

Im Wahlkreis Lüneburg nämlich ist die Zahl der Wahlberechtigten zu groß, im Wahlkreis Einbeck zu klein. Da aber jede Wählerstimme – mit Toleranzgrenzen – das gleiche Gewicht haben muss, sind Änderungen zwingend. Verzichtet der Landtag auf Korrekturen, so läuft er Gefahr, dass Einsprüche gegen die nächste Landtagswahl 2022 vor Gericht Erfolg haben könnten. Doch hier tauchen nun zwei Probleme auf. Erstens ist jeder Neuzuschnitt mit der Verschiebung von Gemeinden vom einen in den anderen Wahlkreis verbunden, es sind also mit jedem Schritt mehrere betroffen.

Zweitens stellt sich gerade im Süden Niedersachsens das Problem des Bevölkerungsschwundes. Hier bleiben fast alle Wahlkreise unter dem Durchschnitt, damit kann irgendwann eine Situation entstehen, dass ein bestehender Wahlkreis zwischen zwei anderen aufgeteilt wird. Dann würde aber ein Direktmandat in Südniedersachsen verloren gehen. Da hier aber die SPD besonders stark ist, wäre sie davon auch betroffen. In Norden und Westen Niedersachsens hält sich die politische Gewichtung eher die Waage.


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Die durchschnittliche Zahl der Wahlberechtigten je Wahlkreis liegt bei 69.559, Abweichungen von mehr als 25 Prozent sind nicht mehr zulässig. Der Wahlkreis Lüneburg (bisher vertreten von Andrea Schröder-Ehlers, SPD) liegt um 27,1 Prozent über dem Durchschnitt, der Wahlkreis Einbeck (bisher Uwe Schwarz, SPD) um 25,46 Prozent darunter.

Nun wird für Lüneburg von Sachs als Vorschlag präsentiert, die Samtgemeinde Amelinghausen vom Wahlkreis Lüneburg an den benachbarten Wahlkreis Soltau zu verlagern. Da Soltau unterdurchschnittlich ist, wäre das vertretbar – allerdings fühlt sich Amelinghausen eher Lüneburg zugehörig. Die SPD könnte von diesem Schritt profitieren, denn ihr Vorsprung im Wahlkreis Lüneburg könnte damit eher noch größer werden, während der CDU-Vorsprung im Wahlkreis Soltau eher etwas schrumpfen würde. Auch für Einbeck sind einige Verlagerungen vorgesehen, die jedoch langfristig die Probleme nicht lösen – dort herrscht „Mangelverwaltung“, wie Sachs berichtet.

Mit Ausnahme von Göttingen-Stadt und Göttingen-Münden sind sämtliche Wahlkreis im Süden eher unterdurchschnittlich. So könnte die SPD/CDU-Koalition womöglich auf die Idee kommen, den Wahlkreis Einbeck aufzulösen, falls Uwe Schwarz bei der nächsten Landtagswahl nicht erneut antreten sollte. Im Gegenzug könnte im Norden ein neuer Wahlkreis geschaffen werden. Verständigen dürften sich Christ- und Sozialdemokraten auf einen solchen Weg aber vermutlich nur dann, wenn keiner von beiden bei den Neuzuschnitten insgesamt als Verlierer dastehen müsste.

Lüneburg und Einbeck sind nicht die einzigen Sorgenkinder

Wie Sachs betonte, kann sie in dieser Frage nur einen Bericht abgeben und eine Lösung andeuten. Die Entscheidung über Veränderungen obliege aber dem Landtag selbst, hier werde sich das Innenministerium zurückhalten. Immerhin hat sie schon mal erwähnt, dass Lüneburg und Einbeck längst nicht die einzigen Sorgenkinder sind. Der Wahlkreis Seesen hat 24,3 Prozent zu wenig Wahlberechtigte, Soltau 24,2 Prozent, Osterholz im Bremer Umland hat 23,2 Prozent zu viel Wahlberechtigte, Aurich 22,4 Prozent.

Da niemals nur die Wahlkreise direkt von Veränderungen betroffen sind, sondern jeweils immer auch ihre Nachbarwahlkreise, wird die Koalition bei einem Modell, das sie entwickeln wird, wohl nicht an größeren Veränderungen vorbeikommen. Im Rechtsausschuss des Landtags erkundigte sich Sebastian Zinke (SPD), ob denn auch mehr Wahlkreise geschaffen werden könnten – etwa im Umland von Bremen und Hamburg.

Dies könnte den Effekt haben, dass die Durchschnittszahl der Wahlberechtigten generell sinkt und die süd-niedersächsischen Wahlkreise in ihrer Existenz gesicherter wären. Sachs antwortete darauf mit dem Hinweis, man habe erst vor gut zehn Jahren die Zahl der Wahlkreise von 100 auf 87 abgesenkt – getrieben von dem Ziel, die Zahl der Abgeordneten zu begrenzen. Sachs bat die Abgeordneten, „bis spätestens Februar 2021“ ein Konzept zu beschließen.