Die Start-up-Welt ist männlich geprägt
Wenn Tosin A. David auf einer Gründerveranstaltung über ihr Unternehmen sprechen soll, ist sie noch immer nervös. Obwohl sie bereits seit zehn Jahren erfolgreich selbstständig ist. Es ist die Dynamik bei solchen Treffen, die ihr regelmäßig ein ungutes Gefühl bereitet. „Männer und Frauen bewerben sich und ihre Unternehmen ganz unterschiedlich“, erklärt David. „Während die meisten männlichen Gründer sich ganz selbstverständlich ins beste Licht rücken, kommt mir manchmal der Gedanke, wer ich denn sei, dass ich als gelernte Kellnerin hier stehe und vor 1000 Leuten über Psychologie spreche.“ Ein Satz, der verwirrend wirkt, wenn man der in sich ruhend und taff wirkenden Unternehmerin in ihrem liebevoll eingerichteten Büro gegenübersitzt.
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Doch wie ihr geht es vielen Frauen, das belegen die Zahlen der Unternehmensgründungen. Hinter einem Drittel der klassischen Gründungen in Niedersachsen stehen Frauen. Von 38.560 Gründern in 2015 waren 13.675 Frauen – eine Quote von 35,5 Prozent. Deutschlandweit sind es mit 43 Prozent mittlerweile sogar fast die Hälfte. Doch in der Start-up-Landschaft sieht das Bild ganz anders aus. Für ganz Niedersachsen gibt es keine konkreten Zahlen, doch für den Bereich Hannover/Oldenburg, der als niedersächsischer Hotspot der Start-up-Szene gilt, hat der Deutsche Start-up-Monitor eine Frauenquote von nur 13,1 Prozent ermittelt. Aber warum gründen Frauen seltener, vor allem in der prestigeträchtigen Start-up-Welt? Fehlt es ihnen am Mut oder gar an guten Ideen? „Überhaupt nicht“, sagt Cornelia Klaus. Aber häufig mangele es an der richtigen Unterstützung.
Klaus leitet bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hannoverimpuls das Projekt Gründerinnen-Consult. Bei Hannoverimpuls bekommen Gründer Unterstützung in allen Fragen der Selbständigkeit. Gründerinnen-Consult wird noch spezifischer und richtet sich direkt an Frauen. Es wird unter anderem vom Sozialministerium gefördert. „Wir haben festgestellt, dass sich Frauen weniger angesprochen fühlen, wenn eine Veranstaltung als Gründer-Treffen beworben wird“, sagt Klaus. Das hat etwas mit unterschiedlichen Herangehensweisen zu tun. Während Männer Gründertreffen eher dazu nutzen, sich und ihr Unternehmen bestmöglich zu bewerben, suchen Frauen eher den Austausch und die Hilfe. „Frauen sind bescheidener, so sind sie sozialisiert worden. Aber gerade in der Startup-Welt kommt es auf Selbstbewusstsein an“, sagt Klaus. Männer schaffen sich andere Situationen für Austausch und Feedback. Gründerinnen dagegen möchten sich häufig in großer Runde über die Probleme mit ihrem jungen Unternehmen austauschen und Rat bekommen, ohne befürchten zu müssen, für durchsetzungsschwach und naiv gehalten zu werden. Bei gemischten Runden dominiert aber gelegentlich die männliche Kultur der Selbstbewerbung. „Bisher hat sich Gründungsberatung häufig auf Männer konzentriert“, sagt Klaus. „Um mehr Frauen zum Gründen zu bewegen, sollten sowohl die gezielte Ansprache sowie die zielgruppenspezifischen Angebote zum Mindeststandard werden.“
Denn die Frauen mit den guten Ideen sind da. Sie machen sich vor allem im Dienstleistungsbereich selbstständig; hauptsächlich in der Gesundheits- oder Kreativbranche. Auch David bietet eine Dienstleistung an. Sie ist Coach für emotionales Marketing und Kundenansprache. Was sich hinter diesem exotischen Begriff verbirgt, ist einfach erklärt. David hilft Unternehmen dabei, den Willen des Kunden zu verstehen und zu befriedigen. Dabei kann sie auf eine ganze Menge Erfahrung zurückblicken. Denn angefangen hat sie als Hotelfachfrau und Restaurantmeisterin. Der Beruf führte sie kreuz und quer durch die Welt, bis sie mit Ende zwanzig Restaurantleiterin im Fünf-Sterne-Hotel Fürstenhof in Celle war. „Da fing ich an, über meine langfristige Zukunft nachzudenken. Denn ich kenne nur wenige, die mit Mitte 50 noch im Gastgewerbe arbeiten.“
Es entwickelte sich die Idee vom eigenen Bistro, doch zur Vorbereitung wollte David noch genauer wissen, was Kunden eigentlich wollen. Und so absolvierte sie ein Praktikum beim Restaurantführer Marcellino’s. „Damals war die Idee noch ganz neu, Gäste die Restaurants bewerten und empfehlen zu lassen“, sagt sie. Doch bald ging es nicht mehr nur um die Gäste. Gastronomen fragten an, ob das Team nicht ihren Erfahrungsschatz zu Kundenwünschen mit ihnen teilen und ihnen Tipps geben wolle. So blieb David bei Marcellino’s, ließ die Idee vom Bistro sausen und wurde Dozentin für die Psychologie der Kunden. Die Anfragen wurden zahlreicher und beschränkten sich bald nicht mehr aufs Gastgewerbe. Das war der Punkt, an dem sich David bei Marcelino’s ausklinkte und ihr eigenes Unternehmen anmeldete. So konnte sie neue Zielgruppen gewinnen. Etwa den Einzelhandel, der sie bald für Vorträge und Mitarbeiterschulungen buchte. „Das Thema ist für alle Bereiche interessant, in denen Produkte von Menschen zu Menschen verkauft werden“, sagt David. Den Mitarbeitern bringt sie etwa bei, wie man auf Reklamationen reagiert oder Kunden gezielt anspricht, ohne aufdringlich zu wirken.
Doch David merkte schnell, dass sie zwar das Fachwissen besaß, aber in puncto Unternehmensgründung ziemlich unbedarft war. „Ich hatte mir vorher noch nicht einmal einen Businessplan gemacht“, sagt sie. Hilfe fand sie bei Gründerinnen-Consult. Von hier kam auch der Tipp, sich das Unternehmerinnen-Zentrum in Hannover anzuschauen. Zehn Jahre später nun hat David in dem Zentrum in Hannover-Linden ihr Büro und drei feste Mitarbeiterinnen. Angebote wie das Unternehmerinnen-Zentrum bewertet sie als notwendig. „Hier findet man als Unternehmerin Gleichgesinnte, mit denen auch mal Schwierigkeiten besprechen und sich Tipps holen kann.“ Etwa bei der Kundenakquise. „Ich hatte am Anfang wahnsinnige Hemmungen, jemanden anzurufen. Männern fällt das leichter“, sagt David. Über die Jahre hat sich ihre kleine Firma jedoch ein kleines Renommee aufgebaut und die Chefin selbst an Selbstbewusstsein gewonnen. „Ich würde mich jederzeit wieder selbstständig machen.“