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Diese „Wennigser Konferenz“ liegt jetzt genau ein dreiviertel Jahrhundert zurück: Vom 5. bis 7. Oktober 1945 kamen in Wennigsen SPD-Vertreter aus der britischen Zone und Vertreter der SPD in der sowjetischen Zone zusammen. Wer nun wie tagen konnte und durfte, ob die Regionen nur in getrennten Sitzungen oder zusammen beraten durften, war anfangs umstritten. Aus London waren auch Vertreter der dortigen Exil-SPD, die während der NS-Herrschaft die Organisation am Leben gehalten hatte, hinzugezogen – darunter Erich Ollenhauer und Fritz Heine. Das Ziel der Zusammenkunft war, über die erneute Gründung der SPD zu entscheiden, außerdem über den Kurs, den die SPD einschlagen sollte. Zwar wurde in Wennigsen das marxistische Grundsatzprogramm der SPD von 1925 noch einmal zur theoretischen Basis erklärt – doch zwei andere wichtige Resultate überlagerten alles andere. Zum einen wurde in der Konferenz deutlich, dass ein Zusammenwachsen der SPD in der Ost-Zone und der SPD in der West-Zone inzwischen wohl unrealistisch war. Otto Grotewohl, der spätere Ministerpräsident der DDR, trat in Wennigsen auf. Aber eine Kooperation stellte sich rasch als unrealistisch heraus. Das war der Otto Grotewohl, der schon von 1922 an als junger Mann Minister in Braunschweig gewesen war, dort bei der Landesversicherungsanstalt Karriere machte und später dann, im April 1946, symbolisch Wilhelm Pieck (KPD) die Hand schüttelte – das Zeichen für die Vereinigung von SPD und KPD im Osten.
Halbes Jahr vor Zwangsvereinigung im Osten
Die „Wennigser Konferenz“ lag ein halbes Jahr vor dieser schicksalhaften Zwangsvereinigung zur SED im Osten. Ob noch ernsthafte Chancen bestanden hatten, eine SPD als gesamtdeutsche Partei aufzubauen, mit Unterstützung der Genossen aus der sowjetisch besetzten Zone? Klaus Wettig, der die Geschichte der niedersächsischen SPD erforscht, ist an dieser Stelle skeptisch: „Grotewohl und seine Genossen müssen damals schon signalisiert haben, dass sie nicht mehr zurück können, dass die sowjetische Besatzungsmacht den Weg zur Zwangsfusion zwischen SPD und KPD in ihrer Zone längst besiegelt hatte.“ Offiziell gestritten wurde über eine Kooperation mit den Kommunisten noch, wobei in Wennigsen die Gruppe der Schumacher-Anhänger dominant war. Dass es zu keiner Verständigung mehr kommen konnte, zeichnete sich aber wohl bereits ab. Wettig rät deshalb zur Vorsicht, wenn manche in der Nachbetrachtung die Ansicht vertreten würden, in Wennigsen habe real noch die Chance zu einer gesamtdeutsch einigen SPD bestanden. Die Machtfaktoren, die später zur deutschen Teilung führten, waren vermutlich nicht wesentlich bestimmt von den politischen Vorstellungen der SPD-Kräfte in den Regionen – selbst wenn sie es so gewollt hätten.Nur Sozialdemokraten aus britischer Zone
Bedeutsam sind mit Blick auf die „Wennigser Konferenz“ einig andere Details: Aus den West-Zonen konnten einzig die Delegierten aus der britischen Zone (also vor allem aus den späteren Ländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg) anreisen. Die Amerikaner zögerten noch bei der Wiederzulassung von Parteiaktivitäten in ihrer Zone, die Franzosen auch. Immerhin war das Ergebnis, das Amerikaner und Franzosen einverstanden waren mit der Einberufung des ersten Parteitags in der Westzone einverstanden: Das geschah dann am 10. Mai 1946 in der Halle der Hanomag-Werke in Hannover-Linden. Das Gebäude immerhin steht auch heute noch.
Schumacher fing 1945 mit dem Wiederaufbau an
Schumacher, der unter den Nazis lange inhaftiert war und das Kriegsende in Hannover erlebte, fing schon im Mai 1945 mit dem Wiederaufbau der SPD an. Zwei Monate später, im Juli, beauftragten ihn mehrere westdeutsche Parteibezirke mit der organisatorischen Führung der SPD in Deutschland. Damit war er bereits ein mächtiger Faktor in der wiederentstehenden SPD, als die Weichen in Wennigsen für den ersten Parteitag gestellt wurden.