Die Rentenpolitik der Großen Koalition ist verantwortungslos
Darum geht es: Am 23. Februar 1957 wurde in Bonn das große Rentenreformgesetz verkündet. Seitdem wurde im Lauf der Jahrzehnte fast 20 mal an der Rente herumgewerkelt – die Große Koalition in Berlin, so sie zustande kommt, plant weitere Änderungen. Ein Kommentar vor Martin Brüning.
Die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten hat die Rente schon so langsam im Blick, auch der Altersdurchschnitt des Bundeskabinetts liegt deutlich über 50. Und wenn Politiker im Wahlkreis auf Parteiveranstaltungen unterwegs sind, haben sie nur selten Kontakt zu Jüngeren. Das durchschnittliche CDU-Mitglied ist 60 Jahre alt, bei der SPD ist es nicht anders. Kein Wunder also, dass in Deutschland seit Jahren vor allem Politik für Ältere gemacht wird. Die Jungen sind im politischen Umfeld unsichtbar, und Unsichtbare haben keine Lobby. Deswegen werden sie bei der Rente seit Jahren über den Tisch gezogen. Kommt es zur Großen Koalition, geht es genauso weiter wie bisher.
Im Hinblick auf die jüngere Generation ist die Rentenpolitik dieser aktuellen und möglicherweise künftigen Bundesregierung verantwortungslos.
Der Rentenabschnitt des Koalitionsvertrags ist ein Affront gegenüber den jungen Menschen in Deutschland. Nach der Rente mit 63 in der vergangenen Legislaturperiode kommen nun die nächsten milliardenschweren Rentenprojekte von Union und SPD. Die Mütterrente wird auf Wunsch der CSU noch einmal ausgeweitet, Geringverdiener bekommen nach 35 Beitragsjahren eine Grundrente und die SPD hat, zumindest nach ihrer Darstellung, dafür gesorgt, dass das Rentenniveau bei 48 Prozent bleibt und zugleich der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigt. Was finanziell nicht passt, wird passend gemacht und schlichtweg über Steuern finanziert. Die Große Koalition vollzieht gerade den Systemwechsel und steigt in die steuerfinanzierte Rente ein.
Im Hinblick auf die jüngere Generation ist die Rentenpolitik dieser aktuellen und möglicherweise künftigen Bundesregierung verantwortungslos. Natürlich kann niemand etwas dagegen haben, wenn Mütter oder Geringverdiener mehr Rente bekommen. Doch es geht in diesem Land nicht allein um Gerechtigkeit für Rentner, sondern auch um Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Und diese treten Union und SPD mit Füßen. Dass in ein paar Jahren bereits zwei Erwerbstätige einen Rentner finanzieren, und dass die Zeit der Rente durch eine bessere Gesundheit und Medizin länger wird, sind bereits seit Jahren Binsenweisheiten. Doch die Politik verschließt vor diesen Wahrheiten die Augen. Statt das bestehende System zukunftsfest zu machen, wird es mit zusätzlichen politischen Wünschen überfrachtet.
Der Schuldenberg, den die Große Koalition in Berlin anhäuft, ist eine schwere Hypothek für die kommenden Generationen. Den Steuerzahlern drohen immense Mehrkosten durch Zahlungen, mit denen die Rentenkasse überfordert wird. Beim Thema Schulden reden wir in Deutschland gerne über Griechenland und schauen besorgt nach Italien. Vielleicht aber sollten wir unseren eigenen Haushalt einmal hinterfragen. Die Sonnenstrahlen des Wirtschaftsbooms sorgen dafür, dass wir durch unsere Konjunktursonnenbrille die lauernden Gefahren der nächsten Jahre übersehen. Sobald der Konjunkturmotor anfängt zu stottern, werden sich unter anderem die Milliarden-Mehrkosten durch Rentengeschenke bitter rächen.
Adenauers Rentenreform von 1957 ist häufig kritisiert worden. Dabei war die umlagefinanzierte Rente damals sozial richtig, und sie ist vom Grundsatz her kein wirklich schlechtes Modell. Über Gebühr belastet wird sie erst durch eine Politik der Verantwortungslosigkeit und des fehlenden Generationengedankens. Die letzte Hoffnung liegt in der geplanten Rentenkommission. Deren Titel „Verlässlicher Generationenvertrag“ darf keine leere Worthülse bleiben.